Matthias Lepschi


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Bergsommer 2018 - Abschnitt 2

   Biberkopf


Das nächste Gipfelziel liegt zur Abwechslung (gerade noch) in Deutschland - auch wenn der Zustieg selber meist von Lechleiten in Österreich unternommen wird. Lange Zeit als südlichster Punkt Deutschlands gehandelt, steht der Biberkopf als steiler Kalkzahn über dem Ende des Lechtals. Der Normalweg führt über die linke Schulter im Bild nach oben, bevor es am Gipfelaufbau auf der abgewandten Seite nach oben geht.

Als Kind war ich bereits das ein- oder andere Mal im Rahmen einer Bergmesse auf dem Gipfel gestanden und habe die Musikanten bewundert, die ihre Blasinstrumente den steilen Weg nach oben geschleppt haben. Dieses Mal finde ich nach dem schönen Anstieg an einem ebensolchen Sommermorgen keine Kapelle am Gipfel vor; immerhin erwarten mich aber um kurz vor neun Uhr bereits etwa 20 Personen am Gipfel. Man merkt deutlich, daß die Ferienzeit begonnen hat.

Vom Gipfel aus erkennt man nach Norden die schroffen Allgäuer Berge.

Ich beschließe, nach dem Gipfel nicht wieder direkt nach Lechleiten abzusteigen, sondern nach Norden zur Rappenseehütte weiter zu laufen. Dabei kann ich nach Westen die Aussicht auf den Widderstein und die Berge bei der Mindelheimer Hütte bewundern.

Nach der verdienten Brotzeit an der Rappenseehütte mache ich nebenstehendes Bild mit dem Rappensee und Rappenseeköpfle. Danach geht es durch eine üppig grüne Landschaft wieder zurück Richtung Lechtal, ständig begleitet durch mehr oder weniger lautes Kuhglocken-Geläute. Nur wenige andere Geräusche haben eine so grundlegend entspannende, ja beinahe meditative Wirkung, und ich überlege, ob man diesen Allgäu-Sound nicht zur Kur von gestressten Städtern einsetzen könnte - vielleicht die nächste große Geschäftsidee?

Völlig tiefenentspannt laufe ich wieder in Lechleiten ein. Allerdings wird mich die nächsten zwei Tage ein ordentlicher Muskelkater plagen - naja, das war mir die Tour auf alle Fälle wert!

   Nördlicher Ramolkogel (Anichspitze)


War der Biberkopf nahe der Deutsch-österreichischen Grenze, liegt unser nächstes Ziel nahe der Österreichisch-italienischen: Es soll der nördliche Ramolkogel werden, der auch als Anichspitze bekannt ist. Wir starten sehr früh aus München und erreichen den Talort Obergurgl morgens um halb sieben. Bei bewölkten Bedingungen wandern wir zum auf 3006 m hoch gelegenen Ramolhaus los, welches wie ein Adlerhorst auf einer Felsrippe errichtet wurde. Etwa gegen zehn erreichen wir die Hütte, und da es scheint, als würde die Sonne langsam die Wolkendecke durchdringen, beschließen wir, gleich zum Gipfel weiterzugehen. Leider geht der Plan in Bezug auf das Wetter nicht ganz auf; immer wieder hüllen uns dichte Wolken ein. Immerhin erkennt man auf nebenstehenden Bild im Hintergrund bereits unser Ziel, die Anichspitze.

Vor dem Übergang zum Nordgrat der Anichspitze verlassen wir den kleinen Gletscher, und können eindrucksvoll erkennen, wie mächtig dieser eher unscheinbare Gletscherfleck noch ist.

Nach einer weiteren halben Stunde Gekraxel über brüchig-schuttriges Gratgelände erreichen wir endlich den Gipfel - leider hält sich die Aussicht wegen der Wolken in Grenzen. Die verdiente Brotzeit schmeckt uns trotzdem!

Zwei Stunden später erreichen wir ziemlich erschöpft das Ramolhaus und sind froh, nicht in Lagern, sondern in Betten übernachten zu können.

Am nächsten Tag beschließen wir, vor dem Abstieg noch ins Ramoljoch zu steigen. Das Wetter ist deutlich besser geworden, und daher können wir auf dem Weg ins Joch (links der Bildmitte) noch einmal den gestrigen Gipfel (rechts über dem Gletscherfleck) betrachten.

Auch nach Süden ist die Aussicht deutlich besser als am Vortag, und wir bewundern die großen Gletscherströme aus dem Talende. Wie lange wird es die wohl noch geben?

Nach einem langen, aber schönen Abstieg erreichen wir mittags Obergurgl und machen uns wieder auf den Heimweg nach München.

   Kletterroute "Eisenzeit" an der Zugspitz-Nordflanke


Die nächste Tour führt uns ganz in der Nähe hoch hinaus - und hat es darüber hinaus ganz schön in sich. Wir versuchen uns an der alpinen Kletterroute "Eisenzeit" an der Zugspitz-Nordflanke. Diese wurde vor einigen Jahren von einem ansässigen Berführer wiederentdeckt - nämlich als logische Fortsetzung des alten Tunnelbauer-Steiges, der von 1928 bis 1930 beim Bau der Zahnradbahn zum Einsatz kam. Eine schöne Dokumentation über die "Eisenzeit" findet sich unter diesem link in der BR-Mediathek.

Weil wir gesunden Respekt vor der langen und für uns Sportkletterer spärlich abgesicherten Route mit 1200 Kletter-Höhenmetern haben, nehmen wir uns mit dem Bergführer Thomas Schiller einen Profi zur Hilfe. Damit fällt insbesondere der Aspekt Wegfindung von unseren Schultern, was bei der "Eisenzeit" durchaus nicht zu unterschätzen ist. Außerdem profitieren wir von den Photos, die Thomas von uns schießt, während wir am Fels beschäftigt sind - und aus denen die vorliegende Photodokumetation aufgebaut ist. Merci Thomas dafür!

Nach einem frühen Start um fünf Uhr Morgens an der Talstation der Gondel am Eibsee laufen wir eine Weile im Licht der Stirnlampen bis zum Wandfuß. Von dort queren wir - mittlerweile in der Dämmerung - auf grasigen Bändern eine Weile nach rechts.

Dann zieht die Route nach links direkt in die Wand. Die ersten Höhenmeter sind noch steiles Gehgelände. Je höher wir kommen, desto häufiger werden jedoch die Passagen, in denen man auch Hand an den Fels legen muß. Im Bild ist die erste markante Stelle der Eisenzeit zu sehen - die Harakiri-Leiter. Das rostige Ding wackelt wie ein Kuhschwanz und macht den Eindruck, als würde es beim nächsten Windzug aus der Verankerung brechen. Ich halte die Luft an, als ich so behutsam wie möglich nach oben steige, und fühle mich, als würde ich an einer Skulptur von Giacometti klettern.

Schließlich erreichen wir einen alten Masten mit Strahlern - mit diesem wurde seinerzeit die Baustelle in der Wand ausgeleuchtet.

Kurze Zeit später erreichen wir die von Menschenhand erschaffenen Kavernen am Tunnelfenster IV. In diesen Höhlen verbrachten die Tunnelbauer 1928-30 ihre Arbeitswoche - mitten in der Zugspitz-Nordwand.

Die Fenster der Höhlen sind gut von der Zugspitz-Gondel zu erkennen. Wir haben an diesem besonderen Tag den umgekehrten Blickwinkel und schauen durch sie nach draußen zur Bahn. Ganz am Ende der Höhlenpassage befindet sich übrigens dann der (verschlossene) Zugang zur Zahnradbahn.

Wir entdecken in der Höhle noch eine uralte Bügelflasche vom Löwenbräu - ohne Bier lief wohl auch seinerzeit nichts auf der Baustelle...

Wir verlassen die Kavernen und begeben uns in etwas steileres Gelände. Die Kletterei läuft durch nicht immer festen Fels, und ich muß das ein- oder andere Mal kopfgroße lockere Schuppen vorsichtig in die Verankerung zurücksetzen, aus denen ich sie durch die Belastung herausgerissen habe. Wir haben das Glück, die einzige Seilschaft in der Route zu sein - damit minimiert sich gottseidank die Wahrscheinlichkeit, eine solche Schuppe als Steinschlag von oben abzubekommen.

Weiter oben in der Tour steigen wir durch eine kaminartige Rinne. Wir gewinnen recht schnell an Höhe. Danach geht es nach kleineren Querungen zu einer steilen Schuttreise weiter, die wir im Allradbetrieb nach oben wühlen. Schließlich queren wir nochmals unterhalb eines schwarzen Felsens, bevor die letzte Kletterlänge uns direkt auf den Grat führt. Die Eisenzeit ist geschafft!

Nach einer kurzen Brotzeit am Routenende (im Bild die kleine helle Scharte unter dem Wolkenfetzen am Grat) seilen wir uns vom dort etwa 50 Meter auf den Höllental-Steig zur Zugspitze ab. Nun stehen uns noch etwa 300 Hm im normalen Klettersteig-Gelände an, bevor wir am höchsten Punkt der Zugspitze stehen.

Endlich geschafft! Nach neun Stunden, 1200 HM Kletterstrecke und insgesamt etwa 2000 Hm stehen wir am Zugspitz-Gipfel. Ein Erlebnis der Extraklasse liegt hinter uns. Danke Thomas für die souveräne Führung durch die Eisenzeit!

Nach einem Belohnungs-Weißbier im Münchner Haus schweben wir glücklich und zufrieden sehr knieschonend in der Gondel zurück zum Eibsee-Parkplatz und sehen uns unser Tagwerk "Eisenzeit" im Überflug noch einmal an. Wie klein und verloren sich die durchwanderten Tunnelfenster nun in der riesigen Zugspitz-Flanke ausnehmen!

   Uppsspitze und Daniel


Nach der fantastischen Trekkingreise durch das Dolpo sind wir eigentlich nicht mehr zu Hundert Prozent motiviert, in der Saison noch größere Wanderungen zu unternehmen. Da aber der Herbst mit unglaublich guten Bedingungen lockt, dauert es nicht lange, bis wir die Wanderschuhe doch wieder anziehen.

An einem traumhaften Samstag wird es einmal wieder die Tour über Uppsspitze zum Daniel - lange waren wir schon nicht mehr hier! Wir steigen früh an und blicken über die mit Frühnebel gefüllte Senke von Ehrwald und Leermoos, ehe die Sonne sämtliche Feuchtigkeit aus der Luft holt. An der Tuftl-Alm vorbei steigen wir die angenehme Südseite zur Uppsspitze auf, machen an deren Gipfel Rast und laufen danach noch bis zum Gipfel des Daniel weiter. Im Photo hinter dem Gipfelkreuz zeigt sich die Zugspitz-Nordseite, die wir vor einigen Wochen in der "Eisenzeit" durchstiegen haben.

Nach einer weiteren kurzen Pause machen wir uns an den Abstieg durch die sonnige Südseite. Bevor wir die letzte Strecke zum Parkplatz in Angriff nehmen, gönnen wir uns auf der Terasse der Tuftl-Alm noch Kaffee und Kuchen. Was für eine schöner Tag!

   Gratwanderung zur Soiernspitze


In ganz ähnlichen Bedingungen findet auch die nächste Unternehmung statt: Es geht von der Seinsalm zu einer langen Gratwanderung über Signalkopf, Seinskopf, Feldernkreuz, Feldernkopf und Reißender Lahnspitze bis zur Soiernspitze. Bereits der morgendliche Blick hinunter in das Krüner Becken läßt nichts zu wünschen übrig.

Gipfel Seinskopf - der Wind bläst, und wir sind um die zusätzliche Kleidungsschicht froh, die wir im Rucksack mitgetragen haben. Man merkt, daß die Sonne gegenüber dem Sommer schon viel ihrer Kraft eingebüßt hat.

Schattenspiel auf dem Weg zum Feldernkreuz

Der Blick nach Nordwesten zum Walchensee; darüber Heimgarten und Herzogstand.

Nach einer verdienten Rast auf der Soiernspitze samt Beobachtung einiger Gamsherden geht es Richtung Fereinsalm auf der Südseite wieder nach unten. Bald schon kommen wir in den Schatten; die tiefstehende Sonne verschwindet hinter dem Wörner. Den langen Fußmarsch von der Fereinsalm zurück zum Parkplatz nehmen wir nach der aussichtsreichen Tour stoisch in Kauf - und auch den Muskelkater, der uns noch Tage danach plagen wird...

   Überschreitung Hochnissl


Waren wir eigentlich davon ausgegangen, daß die Tour auf die Soiernspitze die letzte Wanderung der Saison 2018 sein würde, werden wir eine Woche später eines besseren belehrt. Das Wetter ist weiterhin unglaublich stabil sonnig, und es wird schnell klar, daß die Südseiten weiterhin lohnende schneefreie Anstiege bereithalten. Das sehen nicht nur wir so - auch Andreas, Reisekamerad auf dem Dolpo-Trekking und notorischer Karwendelgeher, will die guten Bedingungen noch einmal ausnutzen. Wir verabreden uns daher zu einer südseitigen Tour aus dem Inntal zum Hochnissl. Wieder einmal steigen wir über Morgennebel an, der sich im Laufe des Vormittags auflösen wird und die Sicht auf das Inntal freigeben wird. Wir steigen am Niedernissl vorbei die steile Südflanke in angenehmer Sonne nach oben, beäugt von der ein- oder anderen neugierigen Gams. Erst am Grat wird es zugig, und wir legen relativ schnell eine zusätzliche Schicht an. Auch die Mittagspause am Gipfel fällt daher nicht allzu lange aus, werden doch die Finger recht bald zu Eiszapfen.

Da die Bedingungen trotz des kalten Windes am Grat ganz ausgezeichnet sind, beschließen wir, den Hochnissl auf dem landschaftlich sehr schönen Weg in Richtung Lamsenspitze zu überschreiten. In Gratnähe mit spektakulären Ausblicken zu beiden Seiten kraxeln wir teilweise seilversichert über Steinkarlspitze und Rotwandlspitze in Richtung Brudertunnel - im Bild der Blick von der Steinkarlspitze über Rotwandlspitze zur Lamsenspitze...

...und hier der Blick von der Rotwandlspitze in die umgekehrte Richtung.

Statt den Brudertunnel in Richtung Lamsenjochhütte zu durchqueren, steigen wir jedoch durch das wilde Lamskar ins noch wildere Zwerchloch ab. Viele wohlgenährte Gämsen sehen uns dabei zu, wie wir die Schuttreisen knieschonend in das tief eingeschnittene und sehr ursprünglich gebliebene Tal abfahren. Mehr als einmal erinnert mich die Szenerie an Kanada...
Unten angekommen wandern wir beinahe ebenerdig das urige Vomper Loch heraus Richtung Parkplatz. Mittlerweile ist die Sonne schon hinter der Nordkette verschwunden, und wir wechseln am Auto bei eisigen Temperaturen die Kleidung.

Eine phantastische Tour liegt hinter uns!