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Bergwinter 2022/23 - Abschnitt 1
Tanzeck und Taubenstein
Der Start in die Skitourensaison passiert wieder einmal am Spitzingsee. Nach der Besteigung der beiden hohen Berge in Argentinien
(und anschließender Virusinfektion) genieße ich mit einem Arbeitskollegen
den schönen Tag in den bayrischen Voralpen. Von den üppigen Schneefällen anfang Dezember liegt noch genügend weißes Gold auf den Hängen.
Nur im Gratbereich hat der Wind wieder einmal ganze Arbeit geleistet - aber so kann man immerhin seine Pause auf trockener Wiese abhalten.
Zur Krottentaler Alm hinab kämpfen wir mit Hartschnee und etwas Plattenpulver. Der schönen Stimmung tut dies jedoch keinen Abbruch. Die Abfahrt vom Taubensteinsattel
hinab zum Lochgraben funktioniert dann ebenfalls erstaunlich gut, und so kommen wir zufrieden wieder am Parkplatz an.
Navis
Für den Jahreswechsel zwingt uns die magere Schneesituation in den Voralpen zur Flucht in den Hauptkamm. Natürlich steht das gemütliche Obernberger Tal weit
oben auf der Liste der Möglichkeiten, und wir schaffen es tatsächlich relativ kurzfristig, uns in Obernberg einzuquartieren. Auf der Fahrt dorthin nehmen wir noch
im alten Jahr das Naviser Kreuzjöchl mit. Bei der Anfahrt durch das braune Wipptal rätsle ich kurz, ob denn überhaupt genügend Schnee vorhanden ist, um
vom Parkplatz aus loszugehen. Nachdem wir in Matrei ins Naviser Tal abgebogen sind, bin ich schnell beruhigt; das weiße Gold zeigt sich beinahe unmittelbar.
Am Parkplatz der Rodelbahn ist es dann schon zapfig kalt - ein wahres Schattenloch - und wir sind froh, als wir Richtung Naviser Hütte loslaufen können und
dadurch den inneren Ofen anschüren. Oberhalb der Naviser Hütte kommen wir in die Sonne und freuen uns an dem schönen Tag.
Die letzten Höhenmeter legen wir am Grat über Hartschnee zurück; die letzten Schneefälle sind schon eine Zeit her.
Am Gipfel genießen wir den Rundumblick über die schöne Umgebung. Die Gipfel sind weiß eingekleidet, jedoch nicht gerade mit übermäßig viel Schnee.
Statt nordseitig vom Gipfel über harte Wasserrillen abzufahren, probieren wir die direkte Abfahrt zunächst entlang des Grates und werden prompt mit der Andeutung
von Firn belohnt - die Sonne hat selbst jetzt noch Kraft! Danach schwenken wir auf den gut umgefahrenen Nordhang über der Naviser Hütte ein und stöbern in
den schattigen Ecken tatsächlich noch ein paar Flocken Pulver auf. Aber auch auf den pistenmäßig eingefahrenen Abschnitten geht es erstaunlich gut voran. Nach
der Tour rollen wir gemütlich ins Obernbergtal weiter.
Obernbergtal
Am Silvestertag ist uns der Wettergott nicht gut gesonnen - zumindest kurzfristig gesehen; natürlich sind wir sehr froh, daß Neuschnee herunterkommt, und ich
greife vor: Schon am nächsten Tag werden wir dadurch dankbar einen wahren Traumtag erleben dürfen. Heute steht aber zunächst der Niedererberg bei wirklich grausigen
Bedingungen an. Wir arbeiten uns langsam durch den Wald nach oben und ziehen dabei mehr und mehr Kleidungsstücke an. Knapp unter dem Joch laufen wir dann am letzten
Baum vorbei in ein stürmisches Beinahe-White-Out.
Gottseidank kennen wir den Weg zum Gipfel, und wir können uns durch die Waschküche vorsichtig nach oben tasten. Am Kreuz verweilen wir nur Sekunden; die Felle
wechseln wir ein paar Meter weiter unten an einem etwas weniger windausgesetzten Flecken. Danach machen wir uns an die Abfahrt im konturlosen Bereich über der
Baumgrenze. Obwohl nur im Schrittempo abfahrend schaffen wir es beide, jeweils frontal in eine große Wechte einzufahren und dabei beide Ski zu verlieren.
Nach dem obligatorischen Hochgewühle nach den Stürzen sind wir wirklich froh, als wir endlich wieder die ersten Bäume ausmachen können und dadurch die eigene
Bewegung besser einschätzen können. Je weiter wir im Wald nach unten kommen, desto besser wird auch wieder die Sicht, und so gelingen doch noch ein paar
rassige Schwünge im steilen Hang zwischen den Stämmen. Am Talboden angelangt rutschen wir dem Bachweg entlang wieder hinaus Richtung Obernberg und beschließen
den Silvestertag wohlig in der Sauna.
Frohes Neues Jahr 2024!
Der Neuschnee des alten Jahres verhilft uns zu einem schlechterdings perfekten Start ins neue Jahr. Wir starten früh und spuren zum Obernberger See
hinauf, um von dort zum Grubenkopf weiterzugehen. Eine prächtige Winterlandschaft erwartet uns!
Die frühe Zeit bedingt natürlich, daß wir unseren Aufstieg selbt spuren müssen. Wir nehmen die zusätzliche Mühe in diesem phastastischem Ambiente aber gern in Kauf.
Nach den kurzen sonnigen Abschnitten hinter dem See geht es bald in den schattigen Nordhang zum Grubenkopf.
Wir arbeiten uns in dem leicht mit Büschen und Latschen durchsetzten Gelände nach oben.
Im Mittelteil spitzelt uns dann kurzzeitig wieder die Sonne über den Grat an. Nach Nordwesten steht ein Tribulaun und der Roßlauf in der Sonne über dem glitzernden
Schnee.
Im Joch zwischen Geierkragen und Grubenkopf erreichen wir schließlich den Beginn des letzten Anstieges über den Rücken zum Grubenkopf. Der Südwind hat hier
für Windgangeln gesorgt.
Unschwer geht es am Rücken dann zum Gipfel hinauf.
Oben angekommen - der erste Gipfel im Jahr 2024!
Panorama nach Südtirol
Wir freuen uns auf die Erlebnisse des neuen Jahres - insbesondere auf die anstehende erste Abfahrt im Pulverschnee!
Vom Gipfel nach Nordosten führt uns diese Abfahrt durch eine Auflage von zehn bis fünfzehn Zentimetern in rassigen Hängen. Wunderbar!
Unserer Aufstiegsspur folgend hat sich auch ein älterer Tiroler Tourengeher mit Hund den Grubenkopf genehmigt und die Abfahrt (samt dem freudig-aufgeregten
Vierbeiner im Rucksack!) genossen.
Die perfekten heutigen Bedingungen nutzt er nach der tollen Abfahrt nun, um den Hohen Lorenzen anzugehen. Der Hund wird aus dem Rucksack geholt, es wird
wieder angefellt, und es geht weiter. Wir schauen uns kurz an - und tun dann desgleichen. Am Gipfel des Hohen Lorenzen werden wir ihn dann wieder treffen; und
er wird mit einem Lachen erzählen, daß er ein schlechtes Gewissen bekommen hätte, wenn er nicht auch einen Gipfel eingespurt hätte!
Die letzten Meter zum Gipfel.
Endlich angekommen. Gipfel Hoher Lorenzen mit Blick zu Olperer, Fußstein und Schrammacher.
Gipfelpanorama
Der Ausblick nach Süden ist gekennzeichnet durch intensives Wolkenspiel.
War die Abfahrt vom Grubenkopf schon ein Genuß, so erleben wir jetzt in der Nordabfahrt vom Lorenzen Richtung Obernberger See noch eine weitere Steigerung.
Was für ein Schnee!
Im Rückblick sind die Spuren zu erkennen - traumhafte Abfahrt. Ein wahrhaft schöner Start ins neue Jahr!
Tags drauf unternehmen wir mit dem Leitnerberg eine etwas kleinere Tour. Von Obernberg aus steigen wir die Südhänge an. Ruppiger Wind pfeift über die Kämme,
und vom blauen Himmel ist meist wenig zu sehen...
...hier ist einer dieser seltenen Momente.
Bereits vor dem Gipfel haben wir uns kleidungstechnisch auf den Sturm vorbereitet.
Oben angekommen können wir trotz der Daune den Blick zum Habicht über dem Gschnitztal nicht wirklich genießen.
Bevor mein Handy aufgrund der Temperaturen den Geist aufgibt, gelingt mir noch das Photo mit etwas gequälten Gesichtsausdrücken.
Danach heißt es wieder, erst einmal mit den Fellen
ein Stück nach unten zu rutschen und einen etwas windgeschützteren Flecken zum Abfellen zu finden. Wie sind wir froh, endlich in die Abfahrt gehe zu können!
Interessanterweise ändern sich die Bedingungen etwa 100 Hm weiter unten noch einmal deutlich. Der Wind hat offensichtlich nur in Kammnähe die unangenehme
Stärke, die uns zum schnellen Rückzug bewegt hat. Etwas weiter unten können wir die restliche Abfahrt durch schöne, teils baumbestandene Hänge wirklich
genießen.
Einen Genuß anderer Art genehmigen wir uns dann in unserer Unterkunft.
Freundlicherweise hat der Wettergott am nächsten Tag wieder Erbarmen mit uns. Wir machen uns bei besten Bedingungen auf zur Rötenspitze.
Spuren von Spuren können wir im Aufstieg noch erkennen und verfolgen - so anstrengend wie am Grubenkopf ist dieser Anstieg also nicht mehr...
Über Lorenzen, Geierkragen und Grubenkopf schwappt die Südtiroler Föhnwelle - jedoch ohne nennenswerten Wind.
Auf den letzten Metern zum Gipfel...
...und oben angekommen!
Gewaltiges Panorama mit den Tribulaunen und Habicht.
Die Tribulaune in Groß.
Wir genießen den Gipfelaufenthalt auf der Rötenspitze - was Windstille doch so ausmachen kann - ehe wir uns an die Abfahrt über den Westgrat machen.
Nach ein paar Metern mündet dieser in wunderbare Südabfahren, die erst gemäßigt, dann aber durchaus steil ins Tal führen. Insbesondere in den oberen Bereichen
können wir noch Pulver genießen, weiter unten hat das weiße Gold bereits einen Stich. Was solls; wir genießen die Abfahrt zur Kastneralm dennoch, ehe es auf
dem Fahrweg gemütlich nach unten ausrollt.
Ein wunderbarer Kurzurlaub zum Jahreswechsel findet sein Ende - fünf Tage, fünf Gipfel! Wir fahren hochzufrieden und entspannt wieder zurück an die Isarmetropole.
Praxmar
Zwei Tage später geht es - noch vor den lange erwarteten Neuschneefällen - wieder einmal zum Zischgeles. Vom Parkplatz weg können wir auf Fellen ansteigen; die
Schneelage ist zwar nicht üppig, aber vollkommen ausreichend.
Nach der üblichen Schinderei im endlosen Hang stehen wir wieder vor dem Gipfelaufbau. Wir haben Glück; zwar ist der Himmel mit Wolken überzogen, allerdings
ist es quasi windstill.
Nach dem durchaus unangenehmen Fußstück zum Gipfel über harten, beinahe eisigen Trittschnee stehen wir schließlich am höchsten Punkt.
Im Rundumblick zeigen sich die Nachbargipfel in intensiver Wokenstimmung.
Deutlich erkennbar ist das Werk des Windes: Grate und exponierte Geländekanten sind aper geschmirgelt - hier muß Frau Holle nachlegen.
Im Blick nach Norden sind die tiefen Osthänge des Tales und das Inntal dahinter beinahe schneefrei auszumachen. Uns ist jedoch klar, daß sich die Situation schon
in der nächsten Nacht ändern wird - es sind ergiebige Schneefälle gemeldet.
Der Wetterbericht ist zutreffend - am nächsten Tag machen wir uns durch ein Winterwunderland auf zur Lampsenspitze. Natürlich bezahlen wir für den Schneefall
mit der Sicht; nur im unteren Teil des Anstiegs erkennen wir mehr als dreißig Meter der Umgebung.
Über der Baumgrenze laufen wir in eine White-Out-Situation. Ein glücklicher Umstand verhilft uns dennoch zu einem unkomplizierten Weg nach oben: Acht
Tiroler legen uns eine gute Spur in die neblige Umgebung.
Am Skidepot angekommen beschließen wir halbherzig, die letzten Höhenmeter zum Gipfel trotz der fehlenden Sicht anzugehen. Keine dreißig Höhenmeter hinter dem
Depot kommt uns jedoch der erste der Tiroler Gruppe vom Gipfel entgegen und berichtet uns, daß in der zweiten steileren Passage zum Gipfel unter der pulvrigen
Schneeauflage das Blankeis regiert - eigentlich wären dort Steigeisen angebracht. Wir müssen nicht lange überlegen, ob wir uns dies für den Gipfel der Lampsen
antun wollen, und drehen wieder zum Skidepot um.
Die Abfahrt gestaltet sich dann ebenfalls als durchaus anspruchsvoll. Zwar ist der Schnee genau so, wie es sich das Herz des Tourengängers wünscht, allein macht
die Sicht einem Abfahrtsvergnügen einen Strich durch die Rechnung. Mit angezogener Handbremse hangle ich mich an der Aufstiegsspur nach unten und freue mich
insbesondere an den unverkennbaren Abdrücken der Stockteller, an der ich die Aufstiegsroute identifizieren kann. Meine Frau folgt mir auf den Fersen und ist
froh, einen farbigen Bezugspunkt in der grauen Umgebung zu haben - mich. Ich schaffe es, nur einmal über eine Wechte zu kugeln, die mir trotz der geringen
Geschwindigkeit unverhofft in den Weg springt. Schließlich erreichen wir die Rodelbahn zur Koglalm und sind nicht unglücklich, nun ohne größere Orientierungsprobleme
gemütlich auf samtweich gewalztem Schnee nach unten durchzurutschen.
In Praxmar angekommen freuen wir uns auf einen gemütlichen Nachmittag in der Sauna und
schauen dem federleichten Schnee beim Fallen zu - wie schön, daß nun endlich der lang erhoffte Nachschub ankommt! Natürlich ist uns klar, daß der anhaltende
Schneefall und die zu erwartende schlechte Sicht am daurauffolgenden Tag einer weiteren Tour wenig zuträglich sein wird. In der Tat prognostiziert die
Lawinenvorhersage für den kommenden Tag einen Dreier. Damit fallen für uns die Würfel gegen eine weitere Skitour; am nächsten Morgen legen wir unser Auto frei
und kurven vorsichtig über die schneeglatte Piste nach Gries hinab. Das ABS macht nach langer Zeit der Inaktivität deutliche Meldung.
Einige der uns entgegenkommenden Fahrzeuge sind bereits damit beschäftigt, die Ketten aufzuziehen. Nach Gries sind die Straßenverhälnisse wieder deutlich besser,
und wir rollen relativ problemlos durch den dichten Rückreiseverkehr zum Ende der Winterferien nach München zurück.
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