Matthias Lepschi


Reisen
Über mich
Page in English
Nach oben

 

Iran 2022

Bergsteigen im Norden Irans: Alam Kuh und Damavand

Das Fernweh zieht uns wieder einmal etwas weiter weg - es geht in den Iran. Nachdem die Corona-Pandemie im Sommer 2022 zumindest eine Pause einlegt, können wir einigermaßen unkompliziert die lang gehegte Reise angehen. Über Wien bringt uns der Flieger nach Teheran, wo wir zunächst erschöpft in die Federn des Hotelbettes fallen. Gottseidank ist das Zimmer klimatisiert; bei knapp 40 Grad tagsüber sind auch die Nächte für uns Mitteleuropäer deutlich zu warm, um ohne Klimaanlage erholsam schlafen zu können. Am nächsten Tag geht es von Teheran aus im Auto weiter. Wir wollen in das Alam-Kuh Massiv fahren, in dem die ersten beiden Bergtouren der Reise geplant sind. Unsere Reisegruppe, die insgesamt aus vier Personen besteht, wird sich auf dieser Fahrt auch erst kennenlernen, denn unsere noch unbekannten Reisekameraden sind mit einem anderen Flug etwas später als wir angekommen und sind nach ihrem Nachtflug quasi direkt in das zweite Auto gestiegen.
Noch in Teheran bekommen wir die Nachricht, daß der geplante Weg zum Alam Kuh gesperrt ist. Grund ist der starke Rückreiseverkehr in der Gegenrichtung wieder zurück nach Teheran. Den Feiertag anläßlich des Todestages von Ajatollah Kohmeni und den Brückentag zum "Wochenende" nutzen die Iraner nämlich so, wie das die Bayern mit dem Gardasee an einem Brückenwochenende machen: Alles fährt über das verlängerte Wochenende ans Wasser (im Iran: das Kaspische Meer im Norden des Landes). Der Stau der Rückreise ist ähnlich ausgeprägt wie der Stau von Italien über den Brenner zurück, wenn gleichzeitig nur eine Spur offen ist. Um die Situation für die Heimkehrer nach Teheran etwas zu entschärfen, wird daher unsere geplante Anreiseroute gesperrt und zu einer mehrspurigen Rückreisestraße deklariert...
Wir diskutieren per Handy zwischen den beiden Autos kurz, was zu unternehmen ist, und entschließen uns, die Route über den mehr als vierstündigen Umweg über die Stadt Rasht am Kaspischen Meer zu nehmen, und rollen von Teheran aus durch staubige, aber interessante Landschafr nach Nordwest.

Zur Mittagspause halten wir an einem größeren Imbiß am Straßenrand an. Endlich können wir auch unsere beiden (übernächtigten) Reisekameraden kennenlernen. Kaum sind die ersten drei Sätze gewechselt, drängt sich mir ein starker Verdacht auf, und ich frage direkt nach: "Seids ihr aus dem Allgäu?" Die positive Antwort kommt prompt; die beiden kommen aus der Kemptner Umgebung, keine 30 Kilometer von meiner Heimat. Wieder einmal ist die Welt das bekannte große Dorf! Wir genießen das Mittagessen - diverse leckere Grillspieße und Gemüse mit Reis, dazu ein Sauermilchgetränk (Dough) - bevor es wieder weiter geht. Noch wissen wir nicht, daß wir noch weitere zehn Stunden unterwegs sein werden...

Nachdem wir mit dem Auto weit nach Westen ausgeholt haben, wendet sich die Straße gegen Norden. Im Westteil des Elburs-Gebirge rollen wir in die Provinz Gilan - und mit einem mal ändert sich die Landschaft. Die staubigen weiten Hänge und Flächen werden durch hügeligeres Gelände ersetzt, daß gleichzeitig deutlich grüner daherkommt. Man erkennt, daß es hier deutlich größere Niederschläge geben muß als im Regenschatten des Elburs nach Süden. Die Vegetation wird vielfältiger, und die landwirtschaftliche Nutzung nimmt zu. Während auf der Gegenfahrbahn der erwähnte riesige Stau der Rückreisenden nach Teheran herrscht, rollen wir - nun stets leicht bergab - Richtung Kaspisches Meer. Bald kommen wir an Rudbar vorbei, einer Stadt, die von riesigen Olivenbaum-Hainen umgeben ist, und nicht viel später traue ich meinen Augen kaum, als ich Reisfelder neben der Straße erblicke! Je näher wir dem Meer kommen, desto üppiger wird die Vegetation, und an der Küste angekommen, sehen wir sogar Bananenstaunden und Teeplantagen. Die Provinzen Gilan und Mazandaran an der Küste sind landwirtschaftlich gesegnet. In der einsetzenden Dämmerung fahren wir an Rasht vorbei direkt am Ufer des Kaspischen Meers nach Osten bis nach Abbasabad, wo wir unser Abendessen einnehmen. Danach geht es schon in Dunkelheit Richtung Süden wieder in das Gebirge nach oben. An Kelardasht vorbei geht es immer abenteuerlicher über kurvige Straßen nach oben, ehe ab Rudbarak dann Schotterstraßen anstehen. Wild wackeln wir in grenzwertig steilem Gelände durch schwarze Nacht nach oben, müssen zweimal sogar aussteigen, aber schließlich kommen wir an der Berghütte an. Die Uhren zeigen halb ein Uhr in der Nacht an, und wir fallen erschöpft in die Betten.


Tags darauf stärken wir uns bei einem gemütlichen Frühstück und erkunden die "Hütte". Der ausgewachsene Bau enthält sogar eine Kletterwand und ist demnach auch für Schlechtwetterperioden gut gerüstet. Nach dem Frühstück packen wir die Sachen für die drei geplanten Nächte im Zeltlager. Die Taschen werden danach auf Mulis verladen und nach oben transportiert, während wir mit dem Tagesrucksack losziehen. Es geht durch ein liebliches, mit vielerlei Blumen bewachsenes Tal sanft bergan.

Schließlich kommen wir am Ende eines Fahrweges an, der direkt in ein Schneefeld einmündet. Hier bauen wir die drei Zelte samt eines kleinen Lagerzeltes auf, richten uns ein und verbringen einen schönen Nachmittag an einem schönen Flecken Erde.

Am nächsten Morgen starten wir die erste Wanderung auf den Berg Lashgarak. Nach etwa einer Stunde befinden wir uns auf einer großen Hochebene, die von schönen Gipfeln umkänzt ist. Lashgarak baut sich als breite Berggestalt vor uns auf. Wir werden ihn über den Nordgrat, der sich im Bild von rechts her aufbaut, besteigen.

Die schöne Wanderung über trittfesten Sommerschnee und über Geröll führt uns schließlich auf ein Gipfelplateau auf etwa 4200 Meter über Null. Wir brotzeiten und schauen hinüber zum nächsten Ziel, dem Alam Kuh. Der höchste Gipfel des gleichnamigen Massivs baut sich vor den grauen Wolken auf, die im Laufe der letzten Stunde über den Himmel gezogen sind - braut sich da etwas zusammen?

Wir steigen knieschonend und flott über ein Altschneefeld zum großen Plateau hinunter ab und freuen uns daran - bis der Regen einsetzt...

...und sich bald in Graupel auswächst, garniert mit Gewitterdonner. Unser Abstieg beschleunigt sich zusehends; wir schauen, daß wir die Beine unter die Hand nehmen!
Weiter unten geht der Niederschlag wieder in Regen über. Meine Hose ist in kurzer Zeit durchnäßt - ich hätte doch die Regenhose im Rucksack anziehen sollen. Beim Poker um den Dauer des Niederschlages war ich definitiv falsch gelegen. Das ist aber mein bzw. unser kleinstes Problem: Keine fünfzig Meter von unserem Lagerplatz entfernt, der in der Talenge wie in einem Windkanal liegt, sehen wir das Zelt unseres Guides Mehdi abheben! Nur noch an zwei Positionen mit dem Boden verbunden strebt es offensichtlich eine Karriere als Segelflieger an. Wir fangen an zu rennen (man glaubt ja gar nicht, wie schnell man sein kann, wenn die passende Motivation vorliegt) und fangen das Zelt gerade noch ein. Ich halte das Ding fest, während die anderen in Windeseile Felsbrocken sammeln und das Zelt wieder befestigen. Auch das kleinere Lagerzelt wird gesichert, ehe es dann daran geht, die eigenen Zelte wieder trocken zu bekommen - denn leider zeigt es sich, daß die Böen und die kleinen Bächlein des Gewittersturmes zu erklecklichen Pfützen in der Behausung gesorgt haben. Erschwert wird die Situation durch die Tatsache, daß wir mittlerweile alle fast bis auf die Knochen durchnäßt sind. Also versuchen wir uns im Wetter vor den Zelten zumindest von den nassesten Sachen zu befreien, ehe wir in Unterwäsche ins Zelt schlüpfen und dort das Wasser am Boden zusammen wischen.
Wie sollen wir den ganzen Krempel bloß wieder trocken kriegen? Und können wir mit nassen Sachen überhaupt daran denken, die anderntags geplante Tour zum Alam Kuh durchzuführen? Was für ein kapitaler Mist...

Die düsteren Gedanken werden keine Viertelstunde nach der Rettungsaktion durch das Ende des Gewitters und das Erscheinen der Sonne wieder ausgetrieben. Wir nutzen das Zeitfenster mit der intensiven Einstrahlung dazu, unter Ausnutzung jeder verfügbaren Trochnungsfläche unsere Ausrüstung wieder trocken zu bekommen - und es haut hin! Zwei Stunden später ist alles zumindest halbwegs trocken, und ein jeder hat einen trockenen Liegeplatz im jeweiligen Zelt. Das ist gut so - denn nach dieser Karenzzeit geht es mit stürmischen Gewitterchen im Halbstundentakt weiter...

Unser Abendessen nehmen wir daher in Mehdis Zelt zu uns. Wie auf Expedition bekocht er uns mittels eines Kochers in einer Apsis des Zeltes, und wir üben uns im Essen im Schneidersitz. Trotz der ungewohnten Stellung ist es im Zelt mit den fünf Personen überraschend gemütlich, und wir genießen unser Essen vor dem leisen Nieselkonzert in piano mit einigen Böen in forte. Für die Tour zum Alam Kuh sehen wir trotzdem keine übermäßig hohe Chance. Wenn das Wetter weiterhin so instabil bliebe, wäre es nicht vertretbar, den hohen Berg anzugehen. Wir verabreden uns dennoch zum Frühstück bei Mehdi um 4:30 Uhr.

Tatsächlich nehmen wir das Frühstück wieder bei Regen und Wind zu uns. So loszugehen macht keinen Sinn. Wir beschließen, uns noch für eine Stunde aufs Ohr zu Hauen, und dann zu entscheiden, ob wir die Sache angehen oder nicht.

Und siehe da - als wir in der Dämmerung aus den Zelten kriechen, ist vom schlechten Wetter nichts mehr zu sehen! Wir gehen in guter Stimmung los und werden nicht enttäuscht. Am großen Hesarchal-Plateau erwartet uns erneut die Gipfelschau ringsum, und wir gehen beinahe schon beschwingt weiter.

Das Wetter schaut nun wirklich hervorragend aus; nur ein steifer Wind bläst uns um die Ohren. Dem helfe ich aber mit der Daune schnell ab.
Im Bild zeichnet sich von einem Pausenplatz der Weiterweg zum Gipfel bereits gut ab. Den Pfad im Bild folgen wir nicht bis in die Schneefelder der Flanke, sondern biegen vorher rechts zum etwas schrofferen Sporn ab. Dort steigen wir bis zur Höhe des schwach im Bild als Querung nach links erkenntlichen Pfades im schwärzlichen Bereich an und folgen diesem über den kleinen Sattel hinweg zum Gipfel.

Oben angekommen grinsen wir auf etwas mehr als 4800 Meter in die Kamera.

Auch Mehdi genießt den Ausblick.

Die schroffen Spitzen vermitteln einen wilden Eindruck.

Nach dem gelungenen Gipfelbesuch machen wir uns wieder auf den Heimweg zu den Zelten. Dieses Mal stehen sie ruhig und friedlich da - keines möchte davon fliegen! Am Nachmittag sitzen wir gemütlich bei den Zelten und genießen entspannt die Zeit bis zur Dämmerung. Die Tour hat trotz vieler Zweifel im Vorfeld gut geklappt, nun saugen wir die schöne Umgebung noch einmal in uns auf - denn schon am nächsten Tag geht es wieder zurück in die Zivilisation.

In der gelösten Stimmung des Nachmittages ärgert es uns auch nicht übermäßig, daß das von Mehdi im Schnee vergrabene Fleisch untertags wohl vom Fuchs ausgegraben und verspeist worden ist. Bereits tags zuvor hatte sich der hungrige Geselle über einen Beutel mit Falafel hergemacht - die ihm aber offenbar nicht richtig geschmeckt hatten.

Nach einer ruhigen Nacht brechen wir im Sonnenschein des nächsten Morgens das Lager ab und verladen das schwere Gepäck auf die Mulis, die wieder einmal geduldig bereitstehen.

Anschließend wandern wir durch das idyllische Tal wieder zurück Richtung Talausgang.

Unsere kleine Mulikarawane überquert fotogen den munteren Bach.

Wir werden nach ungefähr einem Drittel des Weges von Allradfahrzeugen mitgenommen und wackeln teilweise durchaus anspruchsvoll zu fahrende Abschnitte des Weges nach unten. An der Hütte angekommen verladen wir unser dort deponiertes Gepäck und fahren weiter in eine größere und etwa ältere Hütte in Rudbarak, die der erste Stützpunkt für Alpinisten in der Gegend war. Dort gibt es endlich eine warme Dusche und auch ein leckeres Essen, welches uns Mehdis Frau zubereitet hat. Gewaschen und gestärkt geht es dann hinab ans Kaspische Meer, wo wir eine tiefe Übernachtung haben werden.

Nach Bezug der Hotelzimmer im Share Ghesseh Hotel in Maahmoud-Abad machen wir uns an einen Strandspaziergang - natürlich ist dabei meine Frau mit langen Ärmeln und mit Kopftuch ausgestattet.

Die lange in Bergstiefeln mißhandelten Füße freuen sich über den Auslauf in Sand und flachem Wasser. Und wenn sich die Füße freuen, freuen wir uns auch!

Am Abend versammeln sich die Menschen am Strand und genießen den Sonnenuntergang. Es wird Fußball gespielt, gepicknickt oder einfach nur der Sonne beim Sinken zugesehen.

Wir hingegen gehen nochmal aus und werden in einem netten Restaurant mit einem Tisch voller Köstlichkeiten bewirtet. Die persische Küche ist unvergeßlich!

Den nächsten Morgen versüßen wir uns mit einem wunderbaren Cappucino in einem kleinen Straßencafe - und dann verlassen wir auch schon wieder die sommerlich-heiße Gegend am Kaspischen Meer. Wir lassen die knapp 40 Grad hinter uns und machen uns auf die Fahrt nach Reyneh, einem Dorf in der Nähe unseres nächsten Gipfelziels.

Nach einer Fahrt durch atemberaubende schroffe Taleinschnitte kommen wir schließlich in für uns Westeuropäer angenehmen Temperaturen auf etwa 2400 Meter an. Unsere Unterkunft ist eine Bergsteigerunterkunft mit idyllischem Freibereich unter einem Walnußbaum, und zusätzlich noch mit einem mit Perserteppichen belegten Balkon, der geradezu zum Relaxen bei Tee und Keksen einlädt. Wir lassen uns hängen und genießen das Rauschen der Blätter, das Vogelgezwitscher und schauen der Perserkatze zu, die auf einen Bissen lauert. Am Abend nehmen wir unser Essen im Freien unter dem Walnußbaum ein. Ich fühle mich pudelwohl in der netten Unterkunft!

Auch Reyneh selbst hat ein paar nette Ansichten zu bieten. Eingebettet in die schroffen Täler liegen die kleinen Dörfer in Oasen in Grün. Ringsum befinden sich die Gipfel im Bereich von 4000 Meter...

...beziehungsweise einer davon auch auf über 5600 Meter: Unser nächstes Gipfelziel ist der Damavand. Der höchste Berg Irans ist ein erloschener Vulkan und überragt die umgebenden Berge um gut anderthalb Kilometer.

Nach der Nacht in Reyneh holen wir uns am nächsten Tag in Polur die Permits für die Besteigung ab und fahren dann mit Allradfahrzeugen einen Schotterweg bis zum Ausgangspunkt der Wanderung hoch.

Das Geschaukel in den alten Land Rovern ist zwar nicht übermäßig angenehm, aber natürlich sind wir froh darüber, den Fahrweg nicht zu Fuß laufen zu müssen.

Über den Mohnblumen versinken die Bergketten ringsum im Dunst.

Endlich kommen wir an einem der bekanntesten Fotomotive einer Iran-Bergsteigerreise an: Die kleine Moschee bei Gosfandsara mit goldener Kuppel und Minarett vor dem weißen Reisen Damavand.

Die goldene Kuppel funkelt unter dem kalten Gipfel des Vulkans.

Wieder verladen wir hier die Schlafsäcke und das schwerere Gepäck auf Mulis, ehe wir uns mit dem kleinen Rucksäcken auf den Weg zu unserer Hütte auf etwa 4200 Meter machen.

Das Wetter ist ausgezeichnet, und die Wanderung wieder einmal wunderschön.

Blumenpracht am Wegesrand

Nach drei schönen Stunden kommen wir an unserer Hütte an - wohlgemerkt nicht die große Haupthütte, sondern ein kleines Nebengebäude.

Kurz nach uns langen auch unsere Mulis mit den Taschen an.

Die Röhre ist trotz der rohen Anmutung relativ gemütlich.

Neben der Gasküche finden wir eine kleine Bar mit Snacks vor.

Der Schlafbereich besteht aus großen mit Filz überzogenen Flächen, auf der wir die Schlafsäcke ausrollen.

Nach dem Abendessen schaue ich noch einmal vor die Tür - die Wolken ziehen über die tieferliegenden Bergkämme hinweg.

Wir gehen in Erwartung eines frühen Weckens relativ früh zu Bett und können einigermaßen gut schlafen und etwas Kraft tanken. Der Wecker holt uns dann um gegen vier Uhr in die Realität zurück. Nach einem kleinen Frühstück treten wir noch im Dunklen vor die Tür und starten den Aufstieg.

Bald schon zieht sich die Nacht zurück und wir können die Stirnlampen wieder einpacken. Wir steigen ruhig den Hang hinauf und sehen, daß ab einer gewissen Höhe eine Wolkenschicht beginnt, die uns den Blick zum Gipfel verwehrt. Naja - diese Wolken wird der Wind schon noch wegblasen - so zumindest die Hoffnung...

Auch nach zwei Stunden Steigen im Nebel hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Wir steigen in böigem Wind auf, der uns und die Umgebung mit Reif überzieht. Sichtweite dreißig Meter...

Das Hochsteigen hat beinahe schon meditativen Charakter. Was bleibt einem auch anderes übrig - wenn man die Aufmerksamkeit nicht nach außen richten kann, hängt man seinen Gdanken im Inneren nach...

Endlich aber sichd wir oben angekommen und lichten uns vor der Gipfelplakette ab. Meiner Frau hängen die angereiften Haare wie eine Mähne aus Lametta ins Gesicht.

Unser Reisekamerad aus Durach kommt am Gipfel einem Versprechen nach, welches er seinen Kindern gegeben hat: Es wird ein Kopfstand vollführt, der selbstverständlich photo-dokumentiert wird.

Nach einer kleinen Stärkung mit Tee und Keksen geht es wieder nach unten. Außer den Bildern von der Plakette können wir keine sinnvollen Bilder machen - die Sicht in die Umgebung ist weiß in weiß...

Auch im Abstieg läßt uns der Reif nicht los. Erst etwa 300 Meter über der Hütte kommen wir aus der Gipfelwolke heraus und erkennen das Umland wieder. Nach einer kurzen Stärkung in unserer Wohnhöhle mit einer heißen Suppe geht es bald wieder weiter nach unten...

...und wir erreichen am Nachmittag die Moschee von Gosfandsara. Bei Tee und Keksen warten wir unsere Taschen ab, die der Muli-Express alsbald anliefert. Ab damit auf den Landrover, und zurück in die schöne Unterkunft in Reyneh. Nach der ersehnten Dusche sickert uns langsam ins Bewußtsein, daß wir erfolgreich auf Irans höchstem Berg gestanden sind, und damit insgesamt alle drei geplanten Berge der Reise gut funktioniert haben - sehr schön! Mit diesem tollen Gefühl geht es abends noch in ein Nachbardorf weiter, wo wir den Gipfelerfolg in einem typischen Kebap-Restaurant feiern. Wir genießen das hervorragende Essen samt der typischen Getränke (natürlich alkoholfrei), und schlafen auf der Heimfahrt nach Reyneh beinahe im Auto ein - ein langer, anstrengender und gleichzeitig erfolgreicher Tag liegt hinter uns.

Am nächsten Tag haben wir ein leichtes Auslaufen geplant; wir besichtigen die durchaus sehenswerte Umgebung des Damavand, besser gesagt des Tals, durch welches die Straße am weißen Giganten vorbeiführt. Unser erster Stop heißt Kafer Keli - dahinter verbigt sich ein imposant in die Felsen gehauenes Höhlensystem, welches von der Zoroastriern als Fluchtort angelegt worden ist. Die vorislamische persisiche Religion, die auch heutzutage noch einige Anhänger im Lande hat, war nach dem Siegeszug des Islams in Persien nicht immer toleriert, und die Bekennenden wurden - wie in unterschiedlichsten Religions-Paarungen so oft in der Geschichte - verfolgt und bedroht.

Wir nähern uns den Höhlen und sind nicht unglücklich, daß die heutigen Wanderungen nur wenige Höhenmeter umfassen werden. Noch sind die Beine schwer vom Vortag.

Im Bild links sind viele längliche Nischen im Fels sichtbar - der Friedhof der Zoroastrier. Es war lange Zeit üblich, sogenannte Himmelsbestattungen durchzuführen, bei denen die Leichen für die Geier zugänglich in hohen Türmen abgelegt wurden. Im Iran sind solche Türme bei Yazd noch zu besichtigen, wenngleich sie auch nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Zweck genutzt werden.

Der Anblick der Höhlenfenster von außen erinnert mich an die Höhlen von Tsaparang in West-Tibet, und ein wenig auch an die Gräber von Petra in Jordanien.

Wir kraxeln zu den Höhleneingängen hinauf und besichtigen die unterste Ebene der Gänge. Die Verbindungsschächte zu den oberen Galerien sind nicht ohne größeren Aufwand zu bezwingen; die ehemals vorhandenen Holzleitern oder Seile existieren nicht mehr. Zwei Fledermäuse kommen uns im Verlauf der Erkundung entgegen.

Wie mag es hier wohl zugegangen sein, als die Siedlung noch bewoht und voller Leben war?

Im Blick aus den Höhlenfenstern nach unten schlängelt sich die Straße die steilen Talhänge empor.

Ich bin fasziniert von der abwechslungsreichen Landschaft um mich herum. Die tief eingeschnittenen Täler zeigen Erosionskegel zwischen grün bewaldeten Ortschaften, nach oben abgeschlossen durch schroffe Felsriegel bis auf etwa 4000 Hm. Der spektakuläre Anblick erinnert mich an die gleichermaßen fesselnde Fahrt im Ladakh vom Tso-Moriri-See hinunter nach Leh vor ein paar Jahren, die für sich allein schon ein Erlebnis ist. Auch hier im persischen Elburs-Gebige würde die Gegend - selbst ohne den Damavand als Hauptziel der Berg-Touristen - einen Besuch lohnen. Und wer weiß, was es hier noch für tolle Wandermöglichkeiten gibt!

Nach den Höhlen steht noch ein zweiter Programmpunkt auf der Agenda, nämlich der Besuch der Shahandascht-Wasserfälle nur fünf Kilometer weiter untem im Tal des Haraz. Wir spazieren vom zugehörigen Dorf los...

...und können bald die hohen Fälle samt Regenbogen bewundern.

Oberhalb der Wasserfälle schauen wir uns noch die Ruinen einer alten Burg an, die hier wie auf einem Adlerhorst thront.

Von dieser Aussichtswarte aus präsentiert sich auch der Damavand noch einmal. Heute jedoch ziert sich der Gipfel nicht; nur eine relativ kleine Wolke zieht sich über den Gipfel...

...und wenige Minuten später hat auch diese sich verzogen. Wir schauen uns an - so ein Wetter hätten wir zur gestrigen Besteigung gebraucht! - und zucken dann mit den Schultern. Es ist nun einmal so, wie es ist!
Den Nachmittag verbringen wir wieder in der idyllischen Bergunterkunft in Reyneh auf Terasse und Balkon in wunderbarer Stimmung.

Später kommt noch eine weitere TopMountain-Reisegruppe nach, die den Damavand angehen möchte - leider hat ein Tiroler Pärchen bei dieser das Pech gehabt, daß das Gepäck mit den Sachen für den hohen Berg nicht mit ihrem Flieger in Teheran angekommen ist. Die beiden schwitzen nun Blut und Wasser, ob die essenziellen Sachen zeitnah nachgeliefert werden, damit sie nicht auf den Gipfelversuch verzichten müssen. Wir überlegen bereits, welche Ausrüstung wir denn den beiden leihen könnten, falls das Gepäck nicht rechtzeitig nachkommt. Als wir uns abends auf dem Balkon in die Schlafsäcke begeben, ist immer noch nicht klar, ob die Sache gut ausgeht oder nicht. Am nächsten Tag jedoch, an dem wir vier Damavand-Bezwinger bereits in aller Frühe nach Teheran zurückgefahren sind, erreicht uns die Nachricht, daß die Sachen angekommen sind und die Tiroler wie geplant am Weg zum Damavand sind. Nach Ende unseres Iran-Urlaubes wird uns dann eine mail der beiden mit einem Video vom Gipfel erreichen - alles ist gut ausgegangen!

  Weiter zum Abschnitt 2: Teheran und Kashan