Matthias Lepschi


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Bergwinter 2022/23 - Abschnitt 1

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Hohe Tauern


Zwei Wochen und eine überstandene Erkältung später reisen wir wieder ins Gebirge. Der niedrigen Schneelage geschuldet nehmen wir die längere Anfahrt in die hohen Tauern auf uns und laufen vormittags um 10 Uhr von Ströden aus los zur Essener-Rostocker-Hütte. Die bange Frage, wie viel des vor uns liegenden Aufstiegs in dem Nord-Süd-ausgerichteten Tal noch auf Schnee möglich ist, wird bald zu unseren Gunsten beantwortet. Wir kommen tatsächlich komplett auf den Fellen nach oben durch und müssen nur zweimal kurz über Dreck schleichen. Allerdings ist uns auch klar, daß wir für unsere geplante Abfahrt von der Hütte in zwei Tagen nicht mehr erwarten können, daß in den tiefen Bereichen noch eine ausreichende Schneedecke vorhanden sein wird...

Nach dem schweißtreibenden Anstieg an der Hütte angekommen, genießen wir den Nachmittag auf der Sonnenterasse und legen die Beine hoch. Für den nächsten Tag peilen wir den Großen Geiger als Gipfelziel an.

Wir laufen gegen Viertel nach Sieben in wunderbarer Morgenstimmung von der Hütte los. Natürlich sind wir nicht die einzigen; zwei größere Gruppen mit jeweils um die acht Teilnehmer und zwei weitere Paare starten mit uns in die gleiche Tour - der Stimmung tut das aber keinen Abbruch. Das lange Hochtal legen wir noch eng beieinanderliegend zurück, danach zieht sich der Pulk auseinander. Bald laufen wir allein durch die eindrucksvolle hochalpine Landschaft. Da wir das Gelände und insbesondere die Spalten gut einschätzen können, bleibt das Seil am Rucksack; wir kommen mit sicherem Gefühl zwischen den riskanteren Bereichen der Gletscher nach oben. Allerdings müssen wir aufgrund der glasigen Spur so einige Ausrutscher hinnehmen; in einzelnen Passagen fühlt es sich so an, als würde - trotz der Harscheisen - fast bei jedem Schritt der Fuß um die Hälfte nach hinten rutschen. Wir kämpfen uns mit hohem Schweißverbrauch nach oben. Am Skidepot angekommen finden wir für den weiteren Weg gute Stapfbedingungen vor. Sicherheitshalber legen wir dennoch die Steigeisen an; wer weiß, wie abgeblasen und eisig es sich vielleicht in Gipfelnähe verhält? Wir machen uns an die letzten Höhenmeter...


Eine gute halbe Stunde später geht es dann nicht mehr weiter nach oben - wir stehen am zugigen Gipfel und sind um die Daunen froh. Der Großvenediger linst unter dem Gipfelkreuz zu uns herüber. Wir sind am heutigen Tag die ersten am Gipfel und genießen etwa fünf Minuten Stille inmitten der Tauern-Riesen, ehe die nächsten Besteiger zu uns aufschließen.

Das Panorama bekommt durch die Schicht der Schleierwolken eine besondere Stimmung.

Zurück am Skidepot stehen wir zwischen etwa zwanzig weiteren Gipfelaspiranten. Wir bauen um und machen uns an die anstrengende Abfahrt durch nicht wirklich "gführigen" Schnee. Bruchharsch mit feiner Auflage wird im unteren Bereich durch sumpfigen schweren Schnee ersetzt - Butterfirn erhoffen wir vergebens.

Wir kämpfen uns mit vielen Pausen zum flachen Hochtal in der Bildmitte zurück und touchieren dabei den zwei Tage alten Lawinenkegel, der von rechts hereinläuft. Im flachen Bereich des Tales angekommen können wir ohne Mühe bequem bis kurz vor die Hütte hinausschieben - welch Genuß nach der schweißtreibenden Abfahrt zuvor.

Kurz vor eins sind wir wieder an der Hütte und ruhen uns zufrieden aus. Für den nächsten Tag planen wir keine größeren Aktionen mehr; ich rechne damit, daß die Abfahrt ins Tal wohl schon aper ist und per se schon anstrengend genug sein wird.

In der Tat können wir am nächsten Morgen die Ski nur noch etwa eine Viertelstunde angeschnallt lassen, ehe wir im waldigen Teil des Hüttenzustieges durch Dreck und Erde stiefeln. Immerhin begrüßen uns die ersten Krokusblüten auf dem Weg nach unten! Im unteren Teil des Abstieges können wir für zwei kurze Passagen noch auf die Ski wechseln, ehe wir dann endgültig in den Tragemodus wechseln.

In der warmen Vormittagssonne kommen wir am Auto an und vepacken unsere Ausrüstung. Eine Gruppe von Tourengehern macht sich neben uns gerade zum Aufbruch nach oben bereit - und als ich genauer hinschaue, erkenne ich Thomas Schiller - er hatte uns vor einigen Jahren in der Eisenzeit an der Zugspitz-Nordflanke geführt. Wir halten einen kurzen Ratsch und freuen uns an dem netten zufälligen Treffen, bevor uns dann die Aussicht auf Kaffee und Kuchen nach Matrei ruft, und Thomas mit seiner Gruppe an den Aufsteig geht. Nach der Stärkung rollen wir durch Tauern-Tunnel und frühlingshafte Landschaften zurück nach Bayern.

Skitouren auf der Fanes


Durch ähnlich frühlingshafte Landschaften rollen wir zwei Wochen später auch wieder in Richtung der Berge. Es geht über den Brenner und hinab zur Fanes-Alm, auf der wir noch zwei weitere Skitouren unternehmen wollen. In Pederü angekommen laden wir am Parkplatz vor dem eigentlichen Anstieg unser Equipment aus dem Auto - und die Ski samt der Skischuhe anschließend direkt an den Rucksack. Eine dreiviertel Stunde heißt es dann, die Ausrüstung auf dem Buckel den Berg hochzuschleppen - gottseidank haben wir an leichte Turnschuhe gedacht, die uns dabei das Leben erleichtern.

Wir checken auf der sehr komfortablen Fanes-Hütte ein und sehen am späten Nachmittag dem Schnee beim Fallen zu. Ein kurzer Kalteinbruch beschert uns knappe 10 cm Neuschnee. Am nächsten Morgen laufen wir durch eine überzuckerte Landschaft los; die Neunerspitze hat ihr graues Kleid gegen ein weißes getauscht.

Die heutige Tour führt uns über den Limo-Paß zum Bivacco Monte Castello. Wir legen unsere Spur in den frischen Schnee.

Das Ziel ist auf nebenstehendem Bild bereits gut zu erkennen - der kleine felsige Sporn links der Bildmitte am Horizont.

Wir bewegen uns durch eine traumhafte Winterstimmung nach oben, flankiert von den schroffen Felsabbrüchen der Dolomiten.

Diese Berge werden niemals langweilig werden!

Unsere einsame Spur schlängelt sich über die frisch verschneiten Flächen. Wir sind uns der trügerischen Sicherheit bewußt: Zwar schauen die Hänge nun geradezu ideal für die Abfahrt aus, aber es lauern nicht wenige Steine unter der nicht gerade üppigen Auflage. Wir werden die Abfahrt sehr vorsichtig angehen müssen...

Zunächst aber genießen wir die Zeit am Bivacco (im Bild rechts an den Fels geschmiegt zu erkennen).

An einer großen Schießscharte blicken wir nach Südosten zur pyramidenförmigen Tofana di Rozes.

Das Panorama ist atemberaubend. Wir verbringen angenehme zwanzig Minuten auf einer kleinen Steinterasse am Monte Castello; der Wind bläst nur leicht und erlaubt daher eine etwas längere Pause als wir sonst in diesem Winter gewohnt sind.

Dann machen wir uns an eine vorsichtige Abfahrt. Unsere Linien wählen wir mit Bedacht am Grund der sanften Mulden und Rinnen der Hänge - dort ist mit den wenigsten Steinkontakten zu rechnen. Unser Plan geht gut auf; wir können die Abfahrt genießen und kommen ohne zusätzliche Kratzer nach unten. Nach dem unvermeidlichen Gegenanstieg über den Limo-Paß schwingen wir an der Hütte ab und belohnen uns mit Cappu und Kuchen für die schöne Tour.

Am nächsten Tag wollen wir nach Westen aufsteigen - der Piz Medesc ist unser Ziel, besser gesagt der Blick von jenem hinunter nach Hochabtei und Corvara, der sich von seinem Gipfel gut zeigen müßte. Die Schneebidingungen sind leider nicht mehr so "üppig" wie am Tag zuvor zum Monte Castello. Wir müssen uns unsere Route genau aussuchen, um zwischen Bäumen, Felsen und aperen Stellen nach oben zu kommen.

Wir stellen uns bereits jetzt auf eine "interessante" Abfahrt ein... Der spektakulären Aussicht auf die überzuckerten Bergriesen um uns herum tut das natürlich keinen Abbruch.

Vorsichtig schlängeln wir uns über die Mischung aus Schnee und Fels. Ganz links im Bild am Horizont kommt unser heutiges eher unscheinbares Ziel ins Blickfeld. Wir blicken über eine weite Hochfläche, auf der uns im Rückweg einige Gegenanstiege bevorstehen werden.

Eine clevere Routenführung ist hier Gold wert. Wir halten die Augen offen, um die verbliebenen Schneebrücken aufzuspüren und ohne Skitragen durchzukommen. Leider gelingt es uns nicht immer...

Auch hier erkennt man die Herausforderung des heutigen Tages. Unser Ziel im linken Bilddrittel liegt hinter zahllosen abgeblasenen und daher steinigen Bereichen der Fanes.

Nach einiger Mühe stehen wir aber endlich am höchsten Punkt. Im Hintergrund ragt der Heiligkreuzkofel über uns auf - den werden wir irgendwann einmal bei besseren Schneebedingungen mitnehmen.

Der lang ersehnte Blick in das so wohlbekannte Tal. Die Pisten der Skigebiete ziehen als weiße Bänder duch grünbraune Hänge. Schnee ist auch hier an der Sella in diesem Winter eine Mangelware.

Nach einer kleinen Stärkung machen wir uns an die Abfahrt. Die ersten zweihundert Höhenmeter können wir noch gut durchschwingen - natürlich sind wir immer auf der Hut, keine zu steinverseuchte Stelle zu erwischen. Danach beginnt eine lange flache Phase über die Hochfläche mit ihren Gegenanstiegen, die uns einiges an Kraft kostet. Zum Schluß erarbeiten wir uns durch clevere Spurwahl noch eine einigermaßen vertretbare Abfahrt hinunter zu den Hütten. Von dort geht es dann mit Spannung gleich weiter hinunter Richtung Pederü - wie lange werden wir wohl mit den Skien vorankommen, wann werden wir abschnallen und laufen müssen? Wir nutzen - nicht immer ski-schonend - wirklich auch den letzten Rest Schnee auf dem Wirtschaftsweg aus und mogeln uns in die letzte Steilstufe vor dem Parkplatz hinein. In Sichtweite zur Pederü nehmen wir unsere Latten an die Rucksäcke und laufen dann noch eine knappe halbe Stunde zum Parkplatz. Nach dem Verstauen der Ausrüstung im Auto - übrigens mit einer starken Gewißheit, daß wir in dieser Saison die Tourenski wohl nicht mehr brauchen werden - gönnen wir uns in der Pederü einen Apfelstrudel. So gestärkt laufen wir auf dem Weg zum Auto dann noch Andreas Steeger über den Weg - er hatte uns vor einem knappen Jahr auf der Venter Runde geführt und für eine tolle Zeit gesorgt. Wir freuen uns und halten einen kurzen Ratsch; für Andreas geht es dann mit einer Gruppe hinauf zur Fanes, für uns nun weiter nach Kolfuschg zum Skifahren mit unseren Freunden.

Skivergnügen an der Sellaronda


Wie hatte es uns doch schon im Vorfeld des Skiurlaubes umgetrieben - die Webcams hatten uns ja jede Illusion genommen, daß wir an der Sellaronda in eine winterliche, üppig mit Schnee versorgte Landschaft kommen würden. Die Frage war: Würden wir unter diesen Bedingungen überhaupt noch sinnvoll Skifahren können. Die Antwort war - wie auch schon im letzten Winter, der ähnlich schneearm war - nicht nur ein klares "Ja", sondern eher ein enthusiastisches "Auf alle Fälle, was glaubst du denn?". In den sechs folgenden Skitagen dürfen wir bestens präparierte Pisten genießen, die bis knapp nach ein Uhr mittags gut zu fahren sind. An fünf der Tage werden wir die Runde um die Sella machen, am verbleibenden Tag gönnen wir uns Gran Risa und Co über Hochabtei.

Das Wetter ist an vier Tagen weitestgehend so wie in nebenstehendem Bild von der Porta Vescovo hin zur Marmolata.

Vom gleichen Aussichtspunkt hinüber photographiert zum Boe. Die Pisten über Arraba sind aufgrund ihrer schattigen Lage ein Traum; wir pfeifen immer wieder die Sassoura, Fodoma und deren Nachbarn hinunter.

Das Abendprogramm umfaßt auch das ein oder andere Brettspiel - man kann ja nicht die ganze Zeit nur auf der Kante stehen.

Langkofel, Fünffinger und Plattkofel in der Vormittagssonne.

Natürlich dürfen auch Bombardino und Heiße Schokolade nicht fehlen...

...und manchmal hat der Osterhase dort hinein auch sein Bier hineingemogelt.

Wir genießen den Ausklang des Winters auf den Skiern im Pistenmodus, insbesondere natürlich in einer so imposanten Umgebung wie den Dolomiten. Am letzten Tag präsentiert sich der Langkofel dann auch noch einmal frisch eingezuckert im Wechsel zwischen Sonne und Wolken. Nach einem weiteren leckeren Abendessen in der Gruppe heißt es dann am nächsten Tag - durchaus wehmütig - von den Freunden und der Sella wieder Abschied nehmen. Wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Mal!