Matthias Lepschi

  

Reisen
Über mich
Page in English
Nach oben

 

Nepal, Tibet, Kailash 2016

Der lange Anlauf zum Kailash

Es gibt Reiseziele, die spontan entstehen, und die man sich ohne größere Schwierigkeiten mit geringen Aufwand erfüllen kann. Andere Pläne jedoch sind komplizierter, mit viel größerem Aufwand verbunden und schleichen sich langsam an. Sie verhaken sich wie Kletten irgendwo im Hinterkopf und rücken erst über die Jahre hinweg in den Fokus. Auch die hier beschriebene Trekking-Reise nach Nepal und Tibet mit der Umrundung des Kailash fällt in letztere Kategorie. Die ersten Begehrlichkeiten auf diese Tour sind bei mir schon vor Jahren durch Reiseberichte und Fernseh-Reportagen geweckt worden; die beiden Trekking-Touren im Himalaya um die Annapurna-Runde und in Ladakh haben diese Funken dann angefacht und das Thema Kailash-Reise immer präsenter werden lassen. Aus einem diffusen "Einmal im Leben möchte ich dahin..." hat sich so ein "Vielleicht sollten wir das mal angehen" und zu guter letzt ein konkretes "Die Gelegenheit ist da - machen wirs!" entwickelt. Nach diesem langen Anlauf kristallisierte sich schließlich heraus : Im Mai 2016 werden wir mit einer Hauser-Gruppenreise in Richtung Kailash aufbrechen.

Warum übt gerade der Kailash eine solche Anziehungskraft aus? Die Motivationen für diese Tour sind natürlich von Person zu Person verschieden. Für die meisten Reisenden ist jedoch die faszinierend schöne Landschaft Tibets mit den zwei großen Seen Manasarovar und Raksatal zwischen dem weiß herausragendem Kailash und der gegenüber liegenden Gurla Mandhata bereits ein triftiger Grund, für die durchaus beschwerliche Reise. Darüber hinaus - vielleicht auch gerade wegen dieser Lage - zählt der Kailash in vier Religionen als heiliger Berg. Buddhisten, Hinduisten, Jain und Bönpa verehren den Kailash als Göttersitz und Kraftort - und natürlich als eines der wichtigsten Pilgerziele. Auch wir werden am Saga-Dawa Fest Tausende von tibetischen buddhistischen Pilgern um den Berg wandern sehen, und dazu einige Hindus, die den weiten Weg aus Indien über den Himalaya auf sich genommen haben. Aber auch die Zahl der Europäer, die aus spirituellen Gründen die Kora, wie die Umrundung des Berges bezeichnet wird, durchführen, wächst stetig. Einige nützen den Abstand zum "normalen" Leben zur Neuorientierung oder um mit sich selbst ins Reine zu kommen, andere verarbeiten damit schwierige Ereignisse, wieder andere gedenken auf der Wanderung verstorbenen Freunden und Bekannten. Vor dem Hintergrund, daß in den letzten Jahren auch in Europa immer mehr Leute auf Wallfahrten gehen, ist diese Entwicklung am Kailash nicht überraschend.

Eine sehenswerte unkonventionelle und sehr persönliche Dokumentation über eine Reise zum Kailash von den beiden Franzosen Florenz Tran und Simon Allix findet sich auf Servus.tv unter folgendem link.

Wenige Tage vor Reisebeginn - das Packen der Taschen hatte bereits begonnen, die Vorfreude auf die Reise wurde von Tag zu Tag größer - erreicht uns aber noch eine sehr schlechte Nachricht: Peter Schatzl, der Bergführer, der für unsere Reise vorgesehen war, ist bei einer Erkundung im Khumbu-Gebiet in einer Spalte umgekommen (link). Wir sind geschockt - Peter hatte sich erst vor ein paar Tagen noch per Brief bei allen Reiseteilnehmern vorgestellt, und wir waren natürlich hocherfreut, daß ein so erfahrener Mann wie er die Tour begleitet. Die Nachricht seines Todes trifft uns wie ein Schlag...
Nachdem wir kurzzeitig sogar eine Absage der Reise in Erwägung gezogen hatten, halten wir Rücksprache mit dem Reise-Organisator Hauser. Natürlich herrscht auch hier Bestürzung über den tragischen Unfall. Allerdings bekommen wir das Signal, daß die Reise trotzdem durchgeführt werden kann - es würde uns dann an Peters Stelle vermutlich der erfahrene nepalesiche Guide Harka Tamang führen. Einzige Unsicherheit: Es ist nicht klar, ob Harka so kurzfristig noch ein Visum für die Einreise nach Tibet erhalten könne. Vor diesem Hintergrund beschließen wir, die Reise wie geplant anzugehen. Einen Tag später erhalten wir dann noch die Nachricht, daß die Angelegenheit mit dem Visum geklappt hat - damit stehen die Vorzeichen für die Reise den Umständen entsprechend wieder positiv.

Kathmandu, Trekking im Simi-Tal zur Grenze Tibets

Anfang Mai 2016 hebt der Flieger in München über Abu Dhabi Richtung Kathmandu in Nepal ab. Nachdem ich im Vorfeld der Reise einige Informationen über den Zustand Kathmandus nach dem Erdbeben aufgegriffen hatte, bin ich sehr gespannt, in welchem Zustand sich die Stadt mittlerweile befindet. Nach den unvermeidlichen Einreiseformalitäten am Flughafen Tribuvaun geht es mit dem Bus nach Thamel in unser Hotel - durch Straßen, denen man bis auf sehr wenige Ausnahmen nicht angesehen hätte, daß vor kurzem ein katastrophales Erdbeben stattgefunden hat. Offensichtlich sind einige Teile Kathmandus relativ glimpflich davon gekommen. Diese erste Bestandsaufnahme stimmt mich erwartungsfroh für den am nächsten Tag geplanten Stadtrundgang zum Durbar Square. Nach einem leckeren nepalesischen Essen lege ich mich in guter Stimmung ins Bett und freue mich auf den nächsten Tag.

Die Freude währt leider nicht allzu lange - offensichtlich rebelliert mein Magen gegen das Essen, welches mich kurz zuvor noch so erfreut hat. Ich verbringe daher notgedrungen die erste Nacht in Kathmandu zum größten Teil im Badezimmer. Neben anderen Dingen, die ich hier nicht näher beschreiben will, wandern mir düstere Gedanken durch den Kopf: Das fängt ja gleich mal gut an - die anstrengenden Teile der Reise haben noch nicht mal angefangen, und ich verliere schon am ersten Tag mit einem Magen-Darm-Problem Kraft. Werde ich die Sache schnell genug wieder los werden? Oder muß ich die nächste Woche der Gruppe im Delirium hinterher wanken und mich von Zwieback und schwarzem Tee ernähren? Gegen vier Uhr früh kann ich dann glücklicherweise noch ein paar Stunden ungestört schlafen. Da ich am nächsten Morgen aber noch zu wackelig auf den Beinen stehe, muß ich den Stadrundgang schweren Herzens sausen lassen. Ich investiere besser noch in ein paar Stunden Schlaf. Meine Frau wird mir am nachmittag berichten, daß der Durbar Square durch das Erdbeben deutlich stärker beschädigt worden ist, als die Straßenzüge, die ich Tags zuvor gesehen habe. Einige der Holzpagoden sind eingestürzt, und offizielle Schätzungen gehen davon aus, daß es wohl mindestens fünf Jahre dauern wird, bis die Schäden beseitigt sind. Außerdem sind auch einige der moderneren Straßenzüge deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen worden, als in dem Bild, das ich tags zuvor bekommen hatte.

Immerhin bin ich am Abend soweit wieder hergestellt, daß ich normales Essen zu mir nehmen kann - die Stimmung ist dem entsprechend wieder gut. Wir beschließen, daß wir am nächsten morgen nach Swayambunath aufbrechen, so daß ich zumindest noch ein abgespecktes Besichtigungsprogramm mitmachen kann. Es zeigt sich, daß der frühe Morgen eine gute Zeit für diesen Tempel ist - der Besucherandrang und auch die Temperaturen halten sich in angenehmen Grenzen. Schon nach kurzer Zeit stellt sich das schöne Gefühl des Urlaubs ein, das ich von meinem letzten Aufenthalt in Kathmandu noch in Erinnerung hatte...


Swayambunath, Kathmandu. Der neben Boudanath wohl bekannteste buddhistische Tempel hat das Erdbeben 2014 relativ gut überstanden. Besonders in den Morgenstunden lohnt der Weg über die steilen Treppen hinauf zur Stupa.

Swayambunath, Blick auf das Portal über den Treppen

Boudanath, Kathmandu. Der Vollständigkeit halber hier ein Photo, welches eigentlich erst am letzten Tag der Reise entstanden ist. Der obere Teil der Stupa war während des Erdbebens eingestürzt, wird aber bereits wieder aufgebaut.

Nach dem schönen Ausflug nach Swayambunath geht es wieder zurück ins Hotel, um die letzten Vorbereitungen für die Inlandsflüge zu treffen, die uns in den nächsten Tagen bevorstehen. Bei einem maximalen Gepäcksgewicht von 15 kg wägen wir genau ab, was wir wirklich brauchen und deponieren den Rest im Hotel. Dann fahren wie wieder zum Flughafen und hoffen auf gutes Wetter, denn es steht ein Sichtflug bevor...


Diese zweimotorige Maschine bringt uns nach Südwesten in den kleinen Ort Nepalgunj an der nepalisch-indischen Grenze. Von dort aus werden dann die Flüge in die westlichen Bergregionen Nepals gestartet - sofern es die Wetterbedingungen zulassen.

Der Flug nach Nepalgunj gewährt uns fantastische Ausblicke auf die Südseiten von Annapurna und Dhaulagiri (letzterer im Foto). Die beiden Achttausender stehen uns geradezu Spalier. Beim Anblick des Dhaulagiri muß ich an den letzten Teil der Annapurna-Runde denken - an den Abstieg zwischen den beiden Giganten durch die Kali-Gandaki-Schlucht.

In Nepalgunj erwartet uns indisches Klima - mehr als 40 Grad sind auf dem Thermometer abzulesen. Wir verladen uns und unser Gepäck in einen kleinen Bus und fahren für eine Nacht in ein Hotel, bevor es am nächsten Tag mit einem weiteren Sichtflug nach Norden nach Simikot in die Berge weitergehen soll. Die Busfahrt ins Hotel erweist sich dann als typisch indisch - wir kommen mit dem Bus keine 500 Meter weit, dann hält das Fahrzeug abrupt an. Sind wir auf etwas aufgefahren? Ist eine heilige Kuh in den Weg gesprungen? Nein, es stellt sich heraus, daß das Fußhebelwerk der Kupplung abgebrochen ist. Natürlich können wir den Bus nicht weiter benutzen, und wir machen uns gleich auf eine längere Wartezeit am Flughafen gefasst. Dann passiert aber wieder etwas typisch indisches - das Problem wird nämlich innerhalb einer Viertelstunde durch ein paar Tuk-Tuks und einen größeren PKW fürs Gepäck gelöst. Die Flexibilität und der Pragmatismus der Inder bzw. der Nepali überrascht mich immer wieder positiv! Mit den Tuk-Tuks knattern wir erst über unbefestigte Wege und dann weiter über eine asphaltierte Straße zum Hotel. Es gibt viel zu sehen; die Leute erledigen am Straßenrand bzw. im offenen Vorplatz der Häuser ihre Arbeiten: Vom Schmied zum Friseur, vom Mechaniker bis zum Gemüsehändler.

Am nächsten Tag haben wir ein weiteres Mal Glück mit dem Wetter - Der Sichtflug von Nepalgunj nach Simikot kann durchgeführt werden. Daß das keine Selbstverständlichkeit ist, erzählen uns Reiseteilnehmer, die vor ein paar Jahren schon einmal zwei Nächte in Nepalgunj abwarten mußten. Unser Flug verläuft ruhig uns gleichzeitig spektakulär, da die Maschine relativ nahe an Höhenzügen und Talwänden entlang fliegt - manchmal möchte man mit der Hand auf die Gipfel fassen. Mit der Landung in Simikot auf 2700 Meter fallen dann die Unwägbarkeiten der Inlandsflüge von uns ab. Nun sind wir auf Schusters Rappen unterwegs, unser Gepäck auf einer Maultierkarawane.

Auch das Wetter spielt mit. Wir starten die Wanderung in Simikot bei besten Bedingungen.

Noch in Simikot: Charrom-Spieler

Blick zurück auf die Landebahn von Simikot

In diesem Abschnitt des Simi-Tals finden sich viele Terassenfelder. Neben verschiedenen Gemüsesorten wird Reis und Gerste angebaut.

Bewohner des Simi-Tals







Malerisches Bauerndorf

Bewirtschaftete Felder ergeben ein schönes Mosaik

Der Weg entlang des Karnali-Tales ist teilweise spektakulär in die Felsen geschlagen

Wir werden von Eidechsen beobachtet - diese werden teilweise bis zu 25 cm lang.

Ein Bad im Gerstenfeld

Am Ende einer Tagesetappe werden die Mulis von ihrem Gepäck befreit. Die Tiere nützen sofort die Gelegenheit und gönnen sich eine Staubdusche.

Nach einer kurzen Etappe nach Yalbang besuchen wir am Nachmittag das dort ansässige Kloster Namkha Khyung Dzongh. Nachdem die Klöster am Manasarovar-See in Tibet während der chinesischen Kulturrevolution zerstört wurden, gingen einige der Mönche über die Grenze nach Nepal ins Exil und gründeten dort neue Klöster. In Yalbang wurde neben dem eigentlichen Kloster auch noch eine Schule aufgebaut, die derzeit etwa 300 Jungen Platz bietet. Ein paar Kilometer weiter im Tal befindet sich darüber hinaus noch ein Nonnen-Kloster mit angeschlossener Schule.

Die buddhistischen Fahnen des Klosters sind weithin sichtbar.

Wir werden von den Schülern und Mönchen freundlich im Klosterhof empfangen - die Neugier beruht auf Gegenseitigkeit. Wir haben das Glück, daß gerade eine Dankes-Zeremonie im Hauptraum des Klosters durchgeführt wird, bei der wir zusehen können. Das fremdartige Ritual fasziniert durch die tiefen Rezitations-Gesänge der buddhistischen Sutren, die von Zimbeln und Trommeln begleitet werden. Nach der Zeremonie nimmt sich noch der junge Abt des Klosters für ein Gespräch mit uns Zeit. Mit seiner Herzlichkeit und Offenheit versetzt er uns schnell in beste Stimmung. Einer unserer Reisekameraden, der vor fünf Jahren schon einmal an das Kloster gekommen war, versichert uns, daß der Abt bereits damals ansteckend gute Laune verbreitet hat.

Für die Schüler und Novizen hier ist noch keine endgültige Entscheidung für ein Leben als Mönch gefallen. Ganz generell ist die Grenze zwischen einem Leben als Laie und der Laufbahn als Mönch relativ durchlässig.

Nahe der Klosterschule haben wir auch noch die Möglichkeit, eine staatliche Schule zu besichtigen. Die Schüler freuen sich sichtlich, daß sie während ihrer Hausaufgaben-Zeit, die sie zusammen in den Klassenräumen verbringen, von uns Trekkern Besuch bekommen.

Der Tag bietet neben Klosterbesuch und Schulbesichtigung noch ein weiteres Highlight - es geht nämlich das Gerücht um, daß es in der Nähe des schönen Lagerplatzes die Möglichkeit zu einer Dusche gibt! Nachdem die letzte in Nepalgunj schon einige Tage her ist, ist die Aussicht darauf verlockend - selbst dann, wenn es nur Kaltwasser gibt. Tatsächlich ragt in einem kleinen betonierten Raum neben unserem Lager ein schwarzer Gummischlauch etwa in Schulterhöhe aus der Wand und spukt kühles Nass aus - so kühl, daß ich in Europa wohl niemals auch nur einen Gedanken an eine Wäsche verschwenden würde. Hier jedoch muß man die Gelegenheiten nützen, wenn sie sich bieten. Ich stelle mir also einfach vor, das Wasser hätte angenehme 30 Grad - leider ohne großen Erfolg - und absolviere das Programm in Rekordzeit, und wohl auch ziemlich lautstark. Was solls - ich bin nun einmal ein bekennender Warmduscher. Immerhin schlafe ich diese Nacht wieder einmal frisch gewaschen ein.

Das Frühstück der Mulis wird ihnen in einem Sack über den Kopf gehängt - meistens Gerste.

Ein Dorf zwischen Yalbang und Muchu. Schön zu erkennen sind die aus einem Baumstamm gefertigten Leitertreppen, die die unterschiedlichen Geschosse verbinden. Es erfordert schon einen gewissen Gleichgewichtssinn, um darauf nach oben und ganz besonders auch wieder nach unten zu kommen.

Immer wieder geht es über Hängebrücken über den Karnali.

Unser Lager in der Nähe von Muchu direkt am Ufer des Karnali.

Ein Mulitreiber beim Nickerchen. An einer Schnur über seinem Kopf sind Fleischstücke zum Trocknen aufgehängt.

Immer wieder können wir Hanf entdecken, der hier relativ häufig vorkommt.

Bei Tumkot zweigen wir vom tief eingeschnittenen Karnali-Tal ab und biegen in das Nebental des Yari ein.

Die Wanderung in die Schlucht bietet grossartige Einblicke in die Geologie.

Beobachter am Wegrand

Grosse Kühe mit imposanten Hörnern...

...und Kälber, die uns zum Teil verspielt nachjagen, als wären es Ziegen!

Mittlerweile sind wir in der Nähe der Ortschaft Palbang schon auf einer Höhe von 3500 m, Die Landschaft hat sich verändert.

Die üppigen Felder aus den tiefen Regionen des Simi-Tals haben Platz gemacht für Kuh- und Yak-Weiden.

Kinder in der Ortschaft Yari auf 3700m.

Wir nähern uns langsam dem Nara-Pass, der den höchsten Punkt unserer Wanderung in Nepal darstellt.

Blick zurück ins Yari-Tal.

Die oligatorische Staubdusche am Ende der Tagesetappe.

Der Lagerplatz vor der Pass-Etappe über den Nara-La liegt auf 4000m. Wir spüren mittlerweile die dünne Luft; die Bewegungen werden anstrengender.

Am nächsten Tag steigen wir noch 550 m auf...

...bevor die Gebetsfahnen des Passes in Sicht kommen. Nicht mehr weit!

Geschafft!

Nach uns überqueren noch einige Muli-Karawanen den Nara-Pass.

Weiter zum Abschnitt 2