Matthias Lepschi

  

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Nepal, Tibet, Kailash 2016

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Über die Grenze nach Tibet, Manasarovar-See, Thirtapuri


Nach dem Überschreiten des Nara-Passes geht es bequem wieder abwärts in die Schlucht des Karnali.

Die vor kurzem gebaute Straße ist durch eine riesige Erosionsflanke eines Berges gelegt worden.

Der Weg zieht spektakulär durch immense Schuttfelder.

Auch die Karawanen bewegen sich verloren durch diese unwirkliche Landschaft.

Der Karnali kommt wieder ins Blickfeld. Er entspringt südlich des Kailash in Tibet als einer der vier legendären Ströme, die vom "Schneejuwel" aus ihre Reise antreten - neben Sutlej, Indus und Brahmaputra. Außerdem stellt der Karnali für uns auch die Grenze zu Tibet dar, die wir in der kleinen Ortschaft Hilsa über eine Hängebrücke überschreiten werden.

In Hilsa mache ich auch diese Aufnahme eines Flaschen- und Scherbenhaufens. Leider muß ich sagen, daß dieses Bild überall in Nepal oder Tibet hätte entstehen können. Es gibt keine funktionierende Müllentsorgung in diesen entlegenen Regionen; entsorgt wird einfach direkt in die Umgebung.

In Hilsa erledigen wir noch auf nepalesischer Seite die Formalitäten des Grenzübertritts. Es herrscht eine gewisse Nervosität und Hektik, weil unser Gepäck hier bereits durchsucht wird, um böse überraschungen bei der Einreise nach China zu vermeiden - und genau diese Einreise beschäftigt uns ohnehin schon seit einiger Zeit. Werden die Permits von den Chinesen anerkannt werden? Wird Harka, unser nepalischer Reiseführer, ohne Probleme mitkommen können, oder müssen wir Schikane befürchten? Werden die chinesischen Grenzer in unserem Gepäck irgendetwas entdecken können (oder wollen), was uns die Einreise zunichte macht? Wie die Erfahrungen der letzen Jahre gezeigt hat, sind diese Ängste nicht immer unbegründet. Bereits in Kathmandu waren wir darauf hingewiesen worden, Reiseführer oder zum Beispiel das Kailash-Buch von Bruno Baumann besser nicht nach Tibet mitzunehmen. Letzteres ist den Grenzern wohl als chinakritisches Werk ein Dorn im Auge, bei den Reiseführern stört die Chinesen zum Teil, daß Tibet in den Kartendarstellungen graphisch vom eigentlichen chinesischen Staatsgebiet abgehoben ist. Wer sich nicht nur ein paar seiner persönlichen Dinge beschlagnahmen lassen will, sondern definitiv seine Einreise verhindern möchte, kann es mit der Einfuhr von Bildern des Dalai Lama probieren...

Nachdem wir aus Hilsa über die Hängebrücke zur chinesischen Seite gewechselt sind, werden unsere Gepäckstücke tatsächlich ohne Ausnahme auf offener Schotterfläche im Freien von den chinesischen Grenzern durchsucht. Die Beamten meinen es definitiv ernst; keiner aus unserer Gruppe versteigt sich darauf, irgendwelchen Unmut oder kritische Bemerkungen zu äußern. Neben ein paar anderen Apparaten schauen die Grenzer auch auf meinem Photoapparat stichprobenartig ein paar meiner Aufnahmen an. Auch hier steht die Befürchtung im Hintergrund, ich könnte ja ein Bild des Dalai Lama fotographiert haben, oder eine tibetische Flagge abgelichtet haben. Nach einer halben Stunde kommt die Grenzprozedur glücklicherweise zu einem guten Ende. Wir werden von unserer tibetischen Begleitmannschaft mit einem Bus abgeholt und in die nächste größere Siedlung Purang gefahren. Begleitet werden wir übrigens ab jetzt während unserer gesamten Aufenthaltsdauer in Tibet von einem jungen chinesischen Polizisten. In Purang angekommen werden wir erst noch einmal in ein Gebäude des Zolls gebracht, wo unser Gepäck ein weiteres Mal kontrolliert wird - diesmal auch mit einer Röntgen-Einheit. Außerdem wird uns mit einem Ohr-Thermometer die Temperatur gemessen - wir könnten ja ansteckende Krankheiten aus Nepal mitbringen. Mittlerweile bin ich durchaus genervt - obwohl wir derartige Behandlung schon erwartet hatten. Gottseidank versöhnt mich der atemberaubende Anblick der nahen Grenzberge Nepals, die wir von Purang in der Abendsonne sehen.


Ich kann mich nicht an diesen gewaltigen Eisriesen sattsehen, die am Horizont lauern, und mache sicherlich 50 Bilder allein von diesen Giganten.

Gleicher Berg, ein paar Minuten später. Was müßte eine Bergtour auf diesen Graten für ein Wahnsinns-Erlebnis sein!

Die Nacht in Purang verbringen wir in einem von Chinesen betriebene Hotel - angeblich "the best in town". Das hören wir gerne - natürlich träumt jeder nach der Trekking-Woche ohne warme Waschmöglichkeit von einer heißen Dusche und frisch gewaschenen Haaren. Leider werden wir durch das Hotel-Management auf eine harte Probe gestellt; es ist in so gut wie keinem Zimmer warmes Wasser zu bekommen. Das ist einem friedvoll-entspannten Geist nicht wirklich zuträglich, und - gerade als Warmduscher - bin ich mit der Gesamtsituation sehr schnell unzufrieden. Spontan entwickelt sich in mir das Bedürfnis, in eine eindringliche Kommunikation mit der Hotel-Rezeption zu treten. Ich erinnere mich nicht mehr an die Details der Unterredung, aber zwei Bedienstete begleiten mich direkt im Anschluß daran zu unserem Zimmer und lösen das Problem, indem sie ein paar Verteilerhebel umstellen. Einer meiner Reisekameraden hat das Geschehen zufällig mitbekommen - er hatte sich Toilettenpapier an der Rezeption besorgen wollen - und wird mir am nächsten Tag mit einem Grinsen berichten, ich hätte nicht den Eindruck gemacht, noch irgendwelchen Spaß in der Angelegenheit zu verstehen. Ja, so eine Reise erweitert den Horizont und hilft einem, ganz neue Seiten an sich selbst zu entdecken!


Am nächsten Tag verlassen wir nach einem gewöhnungsbedürftigem chinesischen Frühstück Purang und fahren durch fantastische Landschaften Richtung Manasarovar-See.

Zum ersten mal auf der Reise kommt der Kailash in Sicht - er zeigt sich über dem Rakastal-See.

Der Blick nach Süden zeigt die gewaltige Gurla Mandhata. Dieser Berg ist mit etwa 7700m deutlich höher als der Kailash. Zwischen den beiden Bergen befinden sich die beiden Seen Manasarovar und Rakastal. Es gibt eine hinduistische Legende, nach der sich jeden Morgen der Gott Shiva von seinem Thronsitz Kailash her und seine Frau Parvati von der Gurla Mandhata kommend am Manasarovar treffen.

Der Rakastal ist der Überlieferung nach ein von Dämonen bewohnter See, während der benachbarte Manasarovar als heilig gilt.

Blick vom Gog La zum Kailash...

...und hier das gleiche Motiv vom Südufer des Manasarovar-Sees von unserem Lagerplatz direkt neben der Trugo Gompa auf 4580m. Für Buddhisten und Hinuisten zählt ein Besuch des Sees mit einem rituellen Bad zu den wichtigsten religiösen Handlungen auf einer Pilgerreise zum Kailash. Ich beschließe - mit ein paar anderen Reisekameraden - ebenfalls im Manasarovar unterzutauchen. Bei mir sind es zwar keine religiösen Gründe - aber ich möchte an einem ohnehin schon besonderen Tag diese einmalige Chance nicht verstreichen lassen. Noch dazu sind die Bedingungen nicht schlecht; es ist zwar sehr windig, aber relativ warm. Die ersten paar Schritte in den See fallen mir überraschend leicht. An dieser Stelle (wie im Bild zu sehen) ist der Untergrund sandig, und das Wasser nur einen halben Meter hoch. Das hat angenehme Temperaturen zur Folge, will hier heißen: geschätzte zehn Grad. Weil das Wasser absehbar nicht tiefer wird, muß ich mich zum Untertauchen erst mal hinknien. Die Wellen klatschen gegen meinen Bauch - jetzt werden die zehn Grad schon deutlich unangenehmer. Ich gebe mir einen Ruck und tauche komplett ein. Die Kälte reißt mich sofort wieder hoch auf die Beine, ich habe keinen klaren Gedanken mehr im Kopf. Ich probiere es gleich noch einmal; wäre ja gelacht, wenn das nicht besser funktioniert. Aber auch beim zweiten Mal hebt es mich reflexartig wieder aus dem Wasser, und ich begebe mich wieder ins Trockene. Vom Ufer her sehe ich den Anderen bei ihren Tauchgängen zu - die bekommen das teilweise deutlich würdevoller als ich hin!

Nach der Badeeinheit im Manasarovar haben wir am Nachmittag noch Gelegenheit, die Trugo Gompa zu besichtigen. Das kleine Kloster liegt sehr idyllisch am Südufer.

Eine Stupa der Trugo Gompa

Butterlampen im Kloster. Ganz ähnlich wie Kerzen in Europa werden diese von Pilgern angezündet, um für etwas zu bitten oder sich für etwas zu bedanken.

Steg Vom Kloster zum Manasarovar mit Gebetsfahnen im Wind. Auf der Hochebene bläst ein ordentlicher Wind, und wir sind um die Daunenjacken sehr froh.

Licht, Wolken und Berge schaffen perfekte Momente. Die Gegend um den Manasarovar zählt ohne Zweifel zu den schönsten Gebieten, die ich kenne.

Tags darauf wandern wir ein Stück am Ufer des Manasarovar entlang. Dabei entdecken wir einige Kyangs - Wildesel

Über einer Mani-Mauer mit Yak-Schädeln steht im Süden die Gurla Mandhata.

Am Wegesrand entdecken wir neben einem kleinen Steinturm eine Schürze aus Schafsfell und ein Paar Pantoffel. Wie kommen die denn hierher? Des Rätsels Lösung: Der Manasarovar wird von buddhistischen Pilgern mitunter durch Niederwerfungen umrundet, das heißt durch ständiges Auf-den-Bauch-Legen. Für diese überaus mühselige Art der Fortbewegung legen die Pilger die Schürze an und schützen ihre Hände mit den Pantoffeln. Hier hat ein Pilger offenbar markiert, bis wohin er gekommen ist - und wo er mit den Niederwerfungen weitermachen wird.

Gössul Gompa an der Westseite des Sees. Das kleine Kloster thront über dem Manasarovar und bietet ein wunderbares Panorama.

Blick von Gössul Gompa über den See.

Unser Tagesziel liegt in der Nähe der Chiu Gompa am Nordwestufer des Manasarovar-Sees. Am Abend gehe ich noch ein paar Schritte vom Lager einen Hügel hoch, um die Chiu Gompa direkt vor dem Kailash zu fotografieren. Auch ein anderer Reisekamerad hat diese Idee, und wir bringen sicher eine Stunde damit zu, das Motiv im veränderlichen Abendlicht immer wieder zu knipsen.

Auch nach Süden sind die Ausblicke sehenswert - hier wieder einmal ein Nebengipfel der Gurla Mandhata über unseren Zelten.

Der Sonnenuntergang beschert uns einen weiteren spektakulären Anblick - Der Horizont um die Chiu-Gompa steht regelrecht in Flammen.

Am nächsten Morgen: Die Gurla Mandhata über dem Manasarovar

Wir beginnen den Tag mit einer Besichtigung der Chiu Gompa, die wir tags zuvor so ausgiebig fotographiert hatten. Vor dem Kloster finden sich mit weißen Tüchern, den Kadakhs, geschmückte Gebetsmühlen.

Wie auf allen Klöstern kann man auch hier das achtspeichige Rad der buddhistischen Lehre sehen, welches von zwei Hirschen eingerahmt wird.

Der Zugang zum Hauptraum ist hinter einem Vorhang verborgen, auf dem der tibetanische "endlose Knoten" abgebildet ist. Dieses Motiv steht für ein langes Leben.

Nach der Chiu-Gompa führt und der Weg weiter in Richtung Kailash. Das Wetter spielt mit und ermöglich uns schöne Bilder.

An Tarchen, dem Ausgangspunkt für die Kailash-Umrundung, fahren wir aber diesmal nur vorbei. Unsere Route wird uns zunächst nach Thirtapuri, einem Pilgerort, und dann weiter ins Königreich Guge im Westen Tibets führen. Bei einem schön mit Gebetsfahnen geschmückten Mast neben der Straße machen wir einen Essens-Stop mit bestem Blick auf den heiligen Berg.

Die Idee haben wir nicht allein. Aus dem Westen kommend, machen acht oder neun LKWs ebenfalls Halt an dieser Stelle. Die tibetischen Fahrer nützen die Pause, um Gebetsfahnen am Mast zu befestigen, oder einfach nur ein paar Minuten auf den Berg zu schauen.

Man kann deutlich die senkrechte Erosionsrinne in der Südwand erkennen. Der Überlieferung nach entstand sie, als beim Kampf zwischen einem buddhistischen Meister und einem Bön-Meister letzterer in seiner Niederlage seine Trommel verloren hatte, die dann mit großem Getöse den Berg hinunterrutschte und die Scharte hinterliess.

Auf dem Weg in den Westen kommt am Horizont der Berg Kamet in indischen Himalaya in den Blick. Im Vordergrund stehen tibetische Gazellen.

Thirtapuri - der Pilgerort zeichnet sich durch heiße Quellen aus, die als heiltätig gelten.

Das Wasser aus den Quellen wird von den Tibetern abgefüllt und kranken Verwandten mitgebracht.

In Thirtapuri besuchen wir zwei für die Buddhisten bedeutsame Orte: Zunächst das Heiligtum von Yeshe Tsogyel, der Gefährtin von Padmasambhava, eines der wichtigsten tibetischen Geistlichen.

Darstellung einer weiblichen Wächtergöttin im Heiligtum der Yeshe Tsogyel.

Danach besuchen wir das Kloster, in dem Padmasambhava selbst einige Zeit meditiert haben soll.

Darstellung einer Wächtergottheit am Klosterportal. Es gibt für jede Himmelsrichtung eine Figur mit speziellen Attributen - hier die Geige bzw. Laute.

Durch Schnitzereien verzierte Yakschädel auf einer Mani-Mauer neben dem Kloster

Nach dem Besuch von Thirtapuri geht es weiter Richtung Guge in den Westen Tibets. Auf der langen Fahrt kommen wir immer wieder an Nomadenzelten aus schwarzem Yakhaar vorbei. Wie auf dem Bild ersichtlich macht aber auch hier der Fortschritt nicht halt: Solarpaneele und Satellitenschüsseln sind zu sehen, außerdem allradgetriebene Fahrzeuge und Motorräder.

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