Matthias Lepschi

  

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Dolpo in Nepal 2018

Ewig lockt der Himalaya - wieder einmal ist es soweit, wieder einmal hebt das Flugzeug Richtung Osten ab, wieder einmal weht und beim Verlassen des Fliegers in Kathmandu der charakteristische Geruch der Stadt um die Nase, wieder einmal werden uns nach dem Flughafen die zeremoniellen weißen Begrüßungsschals (Kadaks) um den Hals gelegt, und wieder einmal verbringen wir eine erste Nacht in einem Hotel am Rande Thamels. Und trotzdem ist es kein bißchen langweilig - auch beim nunmehr vierten Besuch in Nepal!

Während vor einem Jahr die Tour von Kathmandu aus in das touristisch stark frequentierte Khumbu-Gebiet führte, steht diesmal ein besonders entlegenes Fleckchen von Nepal auf dem Programm: Wir besuchen das legendäre Dolpo, ein Gebiet, in dem bin zum heutigen Tag quasi noch keine Straßen gebaut sind, und welches nach wie vor zu Fuß erwandert werden will. Unsere Route durch das Dolpo ist dabei an eine Forschungsreise aus dem Jahre 1978 angelehnt, die von Peter Matthiessen in dem berühmten Reisebericht "The Snow Leopard" verewigt wurde - mit dem Unterschied, daß wir die Runde in anderer Richtung gehen werden als seinerzeit Matthiessen mit dem Biologen Schaller.
Die Lektüre dieses Kultbuches vor ein paar Jahren hatte wenig überraschend die Lust geweckt, das Dolpo bei Gelegenheit mit eigenen Augen zu sehen. Diese Gelegenheit bot sich uns nun in Form einer Trekkingreise, die - was die Angelegenheit noch besser machte - von einem alten Bekannten geleitet werden sollte, nämlich Harka Tamang, den wir bereits auf der Kailash-Reise kennen und schätzen gelernt hatten. Dementsprechend mußten wir nicht lange überlegen und entschieden uns ohne großes Zögern für die Reise.

Nachdem der Jetlag durch die Übernachtung in Kathmandu so einigermaßen im Griff ist, geht es schon am nächsten Tag mit einem Inlandsflug nach Nepalgunj weiter. Dieser kleine Flughafen am Rande der indischen Ebene ist die Drehscheibe für die Flüge in die entlegenen Täler im Westen Nepals - und außerdem aufgrund des schwülheißen Klimas ein Prüfstein für uns europäische Touristen. Wir hoffen daher inständig, daß der Anschlußflug von Nepalgunj nach Juphal, dem Startpunkt des Trekkings, plangemäß am nächsten Morgen durchgeführt werden kann, und wir nicht noch eine weitere Nacht in der Hitze verbringen müssen.


Das Glück - will heißen das Flugwetter - ist auf unserer Seite, und wir können am Vormittag des nächsten Morgens aus Nepalgunj Richtung Juphal abfliegen. Die kleine Twin-Otter bringt uns an teilweise dicken Wolkentürmen vorbei aus dem Tiefland in die Berge.



Blick aus dem Flugzeug kurz vor der Landung. Wer genau hinsieht, erkennt bereits im linken oberen Bereich des Bildes die winzige Landebahn Juphals - immerhin asphaltiert.

In dem kleinen Ort auf etwa 2800 Hm treffen wir auf die Mannschaft und die Maultierkarawane, mit denen wir die nächsten 16 Tage durch das Dolpo ziehen werden. Nachdem das Gepäck passend verteilt ist, geht es endlich auf Schusters Rappen los.



Kleine Beobachterinnen betrachten neugierig die Karawane mit uns Touristen, die sich durch die hübschen Dörfchen zwischen Juphal und Dunai zieht.



In Dunai liegt unser erstes Lager. Bevor die Sonne untergeht haben wir noch Zeit, das örtliche buddhistische Kloster zu besichtigen. Ein Wald von flatternden Gebetsfahnen erwartet uns neben dem Gebäude und stimmt uns auf die kommenden Wochen ein. Nach dem Kloster gehen wir noch ein paar Schritte weiter zu einer Bon-Stupa, die am Ortsrand steht. Der ursprünglich in der Region praktizierte Glaube wurde nach dem Aufkommen des Buddhismus von diesem in einer gewissen Weise aufgenommen; Ikonographie und religiöse Architektur sind quasi identisch und nur an einigen Merkmalen unterscheidbar.


Unser Frühstückstisch im Freien in Dunai. Auf etwa 2500 Hm erleben wir subtropisch warme Tage; noch brauchen wir das Essenszelt nicht wirklich. Ich wandere in T-Shirt und kurzen Hosen durch eine sommerliche Landschaft los.


Nach Dunai kommen wir an einem kleinen Häuschen vorbei und treffen auf eine kleine Familienversammlung. Ein paar Schwestern und Cousinen kommen mit uns ins Gespräch.


Der Weg verläuft nun am Thuli Beri entlang. Immer wieder müssen wir Stellen passieren, an denen der Pfad durch Erosion in den Fluß gespült worden ist.


Ich lasse in dieser tollen Landschaft meinen Blick hin und her schweifen. Auf einmal der Ruf "Affen"! Tatsächlich erkennen wir auf der anderen Talseite eine Horde von insgesamt wohl 30 Tieren. Wir betrachten uns gegenseitig recht neugierig über den Fluß. Auch Matthiesen berichtet in seinem Buch über die frechen Wesen:

Curl-tailed, the langurs move into the rocks, in no great hurry, and there to turn to observe man at their leisure. They are big handsome silver-brown creatures, one of the most beautiful primates, with frosted faces and an expression so entirely detached as to seem disdainful [...]


Immer wieder kommen wir am Wegesrand an wildwachsendem Hanf vorbei.


Bei Laisicap sind wir wieder einmal die Attraktion für die Kinder der kleinen Siedlung.


Immer weiter folgen wir dem Thuli Beri, bis wir schließlich mit dem Zusammenfluß aus Bharbung Khola und Tarap Khola den Punkt erreichen, an der der Strom überhaupt den Namen Thuli Beri bekommt. Wir überqueren unseren ständigen Begleiter zum vorerst letzten mal und folgen ab jetzt dem wilden Tarap weiter nach Norden.


Kleiner aber feiner Wasserfall nach Laina Odar. Die Temperaturen am dortigen Lagerplatz auf etwa 3400 Hm sind schon deutlich kühler als zu Beginn des Trekkings.


Ein Himalaya-Edelweiß


Der Weg entlang des tief und extrem steil eingeschnittenen Tarap Kholas ist phänomenal spektakulär und abwechslungsreich. Selten habe ich eine derartig fantastische Landschaft erlebt. Immer wieder laufen wir Passagen entlang, in denen der Pfad in den Fels gehauen ist, und erleben Tiefblicke auf den weit unter uns tosenden Tarap.


Bei einer Mittagspause werden wir von Trägern überholt, die große Gebinde von Kunststoff-Wasserleitungen bergan schleppen. Später einmal habe ich die Gelegenheit, solch eine Rolle anzuheben - ohne wirklichen Erfolg. Ich schätze das Gewicht auf um die 70 Kilogramm ein. Was für eine Leistung!

Später erfahren wir, daß Träger bei touristischen Unternehmungen meist nicht mehr als 25 bis 30 kg Gewicht tragen dürfen; darauf würden seriöse Reiseveranstalter Wert legen. Abseits der touristischen Beschäftigung würde ein Träger in Nepal dann als stark und gut gelten, wenn er bis zum Doppelten seines Körpergewichtes bewegen könne...


Ein wunderschöner Lagerplatz am Tarap in der Gegend um Nawarpani.


Zwei Träger unserer Begleitmannschaft überholen uns mit Küchenutensilien.


Der Albtraum eines jeden Baustatikers - im Dolpo täglich benutzte Realität. Wir müssen - samt unserer Mannschaft mit Maultierkarawane (!) - über das fragile Bauwerk auf die andere Seite des Tarap. Trotz Gruseln gelangen wir alle gesund über den Fluß.


Ein paar hundert Meter später wieder ein in die Felsen gehauener Pfad im Stil des Bocchette-Klettersteiges, allerdings ohne Sicherungsmöglichkeiten. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind für solche Pfade unabdingbar. Im Dolpo sind Wege dieser Art an der Tagesordnung.


Brisant wird es erst dann, wenn in solch einer Passage eine Maultier- oder gar Yakkarawane entgegenkommt. Glücklicherweise erleben wir diese Situation nicht!


Der Weg führt durch die ausgewaschene Flußbiegung unter dem Überhang weiter - ein weiteres spektakuläres Teilstück des Weges, das mir ein Grinsen ins Gesicht zaubert!


An der schmalsten Stelle der Tarap-Schlucht erreichen wir den Keza La. Die Landschaft wird ab diesem Pass mit etwa 3800 Hm langsam immer alpiner; die grünen Farbtöne gehen auf Kosten der Braun- und Grautöne der Berge zurück.

Wir fühlen, daß wir den hohen Regionen des Dolpo immer nächer kommen!


Nur eine kurze Wegstrecke später das nächste untrügliche Zeichen, daß wir nun endgültig im eigentlichen Himalaya-Hochland angekommen sind: An unserem Mittagslager bei Sisaul kommt uns eine Yak-Karawane entgegen. Die archaischen Tiere mit den gewaltigen Hörnern und zotteligem Fell erscheinen mir wie Giganten aus einer anderen Welt.


Als wäre das nicht schon genug, kommt fast gleichzeitig aus der anderen Richtung eine zweite Karawane von Yaks, die mit Heu beladen sind. Wir sehen schleunigst zu, unsere Position möglichst weit vom Treffpunkt der beiden Herden weg zu bewegen, um im zu erwartenden Chaos nicht unter die Hufe zu kommen. Das Spektakel ist natürlich unbeschreiblich! Nachdem sich die beiden Herden wieder einigermaßen sortiert haben, erkennt ein einzeln auf einem Felsvorsprung stehendes Yak, daß seine Herde mittlerweile an einem ganz anderen Ort ist. Das Tier beginnt darauf hin, die steile Wand hinunter zu galoppieren und prescht wie ein zotteliger Höllendämon den Weg zu seinesgleichen entlang. Mir bleibt der Mund bei dieser Verwandlung von einem behäbigen Berg von Tier in einen wütenden Tornado aus Hörnern und Haaren offen stehen. Alles aus dem Weg; rette sich wer kann!


Die Yakherde mit der Heubeladung dagegen zieht brav und friedlich hübsch aufgereiht ihres Weges den steilen Pfad weiter.


Felsritzung eines Mantras: Om Mani Padme Hum!


Langsam weitet sich die Schlucht des Tarap zu einem weiten Tal aus, und in der Ferne erkennen wir die ersten Häuser von Dho Tarap.


Die schöne Ortschaft empfängt uns bei bestem Wetter mit einer großen Chörten.


Und auch die kleinen Bewohner von Dho Tarap sind bald schon neugierig zur Stelle und sehen sich unsere Reisegesellschaft an.


Von Dho Tarap aus machen wir einen Ausflug zum benachbarten Bon-Kloster Shipcho.


Zunächst finden wir niemanden, der uns die Pforte des Klosters zur Besichtigung aufsperrt - denn wir sind gerade zur Erntezeit hier, und jede verfügbare Person ist natürlich auf den Gerste- oder Buchweizenfeldern. Nach ein paar Minuten kümmern sich aber die beiden Mädchen um unser Anliegen und geben dem Verwahrer des Schlüssels bescheid.


Nach dem Bon-Kloster geht es zum buddhistischen Kloster von Rimbum weiter, welches über der Ortschaft thront.


Chörten bei Rimbum mit Buddha-Augen


Padmasambhava-Staue in der Rimbum-Gompa


Darstellung einer zornigen Manifestation eines Buddha mit weiblicher Gefährtin


Kami-Chörten nahe Dho Tarap


Auf dem Weg von Dho nach Tokkyu kommen wir zur Pausenzeit an der Crystal Mountain School vorbei. Die Kinder auf dem Schulhof haben einen Riesenspaß bei verschiedenen Spielen. Nach der Pause stellt sich die ganze Schar von vielleicht etwa 100 Schülern zwischen 6 und 16 Jahren auf und singt uns zwei Lieder, nämlich die nepalische Nationalhymne und danach die tibetanische.


Nach der Ortschaft Tokkyu zieht der Weg immer deutlicher nach oben. Mittlerweile haben wir die 4000-Hm-Marke überschritten, und schon zur Mittagspause sind wir auf etwa 4300 Hm angekommen. Nach der Mahlzeit im leichten Regen beobachten wir einen Motorradfahrer, der sein offensichtlich recht neues Fahrzeug über einen Bach bringen möchte. In der Mitte angekommen geht es nicht mehr vorwärts und nicht mehr zurück. Zwei Personen unserer Mannschaft eilen daraufhin zu ihm und helfen ihm auf die andere Seite, wo er uns dann dankbar seine Geschichte erzählt: Er hatte das neue Motorrad von der chinesischen Grenze abgeholt und soll das Gefährt für umgerechnet etwa 300 Dollar dem neuen Eigentümer überstellen, dem die ganze Fahrt (im weglosen Gelände!) zu riskant erschien. Um die Angelegenheit in den richtigen Kontext zu setzen: Es gibt im Dolpo keine Straßen, sondern im besten Fall von Karawanen ausgetretene Pfade; und Benzin (oder gar ein Ersatzteil) für das Motorrad wird auf Yakkarawanen nach Dho gebracht...


Nach der Einlage der Motorrad-Bachüberquerung steigen wir noch eine ganze Weile bei leichtem Regen und Schneegraupel bergan - erst bei knapp 4900 Hm erreichen wir den heutigen Lagerplatz. Der Übernachtung auf einer Höhe über dem Montblanc-Gipfel sehen wir mit gemischten Gefühlen entgegen. Werden wir schlafen können, bekommen wir genug Luft, oder fangen wir zu japsen an? Werden wir vom Kopfweh verschont bleiben?

Die Sorgen und Bedenken werden sich am nächsten Tag als überflüssig erwiesen haben; wir vertragen die hohe Nacht gut und ohne große Beschwerden - mal abgesehen von einer Ladung Schnee, die mir des Nachts bei einem Gang zur Toilette beim Öffnen des Zelt-Reißverschlusses in den Nacken rutscht. Am Morgen beeile ich mich, den verschneiten Lagerplatz zu fotografieren, bevor unsere Mannschaft die Zelte auf die Mulis packt.


Kurz nach dem Frühstück reißt das bislang eher bewölkte Wetter auf, und wir können bei Sonnenschein das letzte Wegstück bis zum 5220 Hm hohen Jyanta La zurücklegen. Der erste der drei Fünftausender-Pässe dieser Trekking-Tour stellt den Übergang vom äußeren in das innere Dolpo dar.


Da die Bedingungen gut sind, begleite ich einen Reisekameraden aus Tirol nicht nur auf den Pass selbst, sondern auf einen kleinen Hügel westlich des Passes auf etwa 5350 Hm. Ein tolles Panorama erwartet uns dort oben, und wir können den nun folgenden langen Abstieg ins Tal einsehen.

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