Russland 2021/22
Sibirien, Luzhba: Skitouren im Westsajan
Nach einer langen Zeit des Wartens steht endlich wieder einmal eine Fernreise an: Über den Jahreswechsel hinweg soll es zum kalten Champagner-Pulver nach
Sibirien gehen, und nach der geplanten Skitouren-Woche mit der transsibirischen Eisenbahn zurück aus dem asiatischen Osten über den Ural nach Moskau.
Im Vorfeld der Reise ist die Nervosität groß - die Entwicklung der Corona-Pandemie mit der sich ankündigenden Omicron-Welle bereitet uns Sorge. Werden wir die
Reise überhaupt antreten können, oder macht eine Reisewarnung dem Plan den Garaus? Welche Tests brauchen wir zu welchem Zeitpunkt, um die Einreise nach
Russland unternehmen zu dürfen? Wie wird sich die Pandemie während der Reise weiterentwickeln? Laufen wir Gefahr, die Transsib nicht besteigen zu können -
oder vielleicht - obwohl glücklich in Moskau angekommen - durch den Virus am Besichtigungsprogrann gehindert zu werden? Was passiert, wenn sich jemand aus der Reisegruppe anstecken
sollte? Und wie würde in solch einem Fall die Rückreise nach Deutschland funktionieren? Fragen über Fragen nagen an unserer Seelenruhe und erfüllen uns
mit Zweifeln. Wie wird die Sache wohl nur laufen und ausgehen?
Zwei Wochen später: Die ganze Reisegruppe ist vollzählig, gesund und freudestrahlend wieder am Münchner Flughafen angekommen - mit allem Gepäck! - und
stößt mit zwei Flaschen Champagner noch am Gepäckband auf eine Reise der Extraklasse an. Das Schicksal hat es gut mit uns gemeint, und uns alle Klippen gut
umschiffen lassen. Ein großer Teil des Schicksals trägt dabei den Namen Günther Härter von TopMountainTours , der als guter Geist und Organisations-Genie
dieser Pionier-Reise die richtigen Entscheidungen zur rechten Zeit trifft und mit seiner Ruhe und Souveränität die gute Stimmung über die ganze Reise hochhält.
Danke Günther!
Die Anreise ins Pulver-Paradies Luzhba im westlichen Sajan-Gebirge im Süden Sibiriens gestaltet sich durchaus langwierig: Nach dem Flug von München nach Moskau
müssen wir uns dort angekommen aufgrund einer Verspätung beeilen, den Anschlußflug nach Abakan zu erreichen - dies gelingt uns glücklicherweise gut.
In Abakan steigen wir bei etwa minus 20 Grad aus der Maschine der Aeroflot aus und verladen unser Gepäck in zwei Kleinbusse, mit denen wir durch die winterlich-eisige
Landschaft etwa zweieinhalb Stunden zum Bahnhof Biskhamsa weitertuckern. Die Landschaft ist zunächst noch kaum schneebedeckt, jedoch dennoch fast überall weiß
- Reif überzuckert das tiefgefrorene Gras. In südlichen Hanglagen sorgt die Sonne dafür, daß Boden und braune Halme frei liegen.
Je näher wir dem von Hügeln umgebenen Bahnhof Biskhamsa kommen, desto mehr Schnee ist zu sehen. In Biskhamsa tragen wir unser Gepäck dann bereits an übermannshohen
Schneehäufen vorbei auf den Bahnsteig, von dem uns dann ein kleiner Personenzug noch etwa anderthalb Stunden lang entlang des Flusses Tom unserem Ziel Luzhba
näher bringt. Dort erwarten uns schon zwei Skidoo-Transporte, auf denen unser Gepäck etwa einen Kilometer über den zugefrorenen Fluß in die kleine Siedlung
gefahren wird. Wir legen den Weg zu Fuß zurück und blicken gespannt auf die bewaldeten Hänge ringsum, die uns in den nächsten sechs Tagen die Leinwand unserer
Abfahrtsspuren sein werden - so hoffen wir zumindest!
Wir beziehen die gemütlichen Zimmer in unserer Lodge, verbringen die Nacht und starten am nächsten Morgen um neun Uhr unsere erste Skitour.
Eine stimmungsvolle Zusammenfassung unserer Zeit in Luzhba findet sich übrigens auch auf Youtube
unter diesem link.
Vielen Dank wieder einmal an den Weilheimer Club Fred für die Mühen!
Bei etwa minus 20 Grad steigen wir den Hang westlich der Siedlung nach oben. Nach der ersten halben Stunde im Schatten - in der wir durchaus froh sind, daß es
bergan geht und wir dadurch warm werden - kommt die Sonne hinter dem Horizont hervor und taucht die Szenerie in sanftes Licht.
Immer wieder kommen wir an diesen roten Beeren vorbei, die genießbar sind und durchaus süß schmecken - und nein, es sind keine Ebereschen.
Aufgrund des Geschmackes führen wir die Früchtchen als Preißelbeeren (und genießen sie im Übrigen ein paar Tage später auch hochprozentig eingelegt...).
Oben angekommen hüllen wir uns flott in die Daunen. Dann geht es an die erste Abfahrt durch den irreal fluffigen trockenen Pulverschnee. Wir schweben,
begleitet von einem leisen Zischen, weich durch die kalten Federn und haben Spaß an dem natürlichen Slalom durch den lichten Wald. Fantastisch! Nach der
Abfahrt werden wir noch zwei weitere Male aufsteigen - solche Gelegenheiten müssen einfach genutzt werden!
Die tiefstehende Sonne zaubert schöne Stimmungen in die Äste.
Schmale Bäume stehen uns Spalier.
Unten angekommen mache ich noch das Bild mit meiner Frau zwischen unseren Transportgeräten. Luzhba bietet neben den Skitouren auch die Möglichkeit von Skidoo-Safaris
(für extrem kälte-restistente Aspiranten, versteht sich).
Wir werden unsere Ski samt der Schuhe los und treffen uns auf ein Bierchen in der Essens-Hütte. Der gigantische
Tag hat leuchtende Augen und rote Backen in die Gesichter gezaubert, und die Zeit bis zur obligatorischen Suppe vergeht wie im Flug. Danach geht es dann in die Banja weiter.
Unsere Lodge verfügt über keine Duschen; die einzige Waschmöglichkeit besteht eben in letztgenannter russischer Variante der Sauna. Im Vorraum haben wir die Möglichkeit,
mit Waschschüssel samt Schöpfkelle Warmwasser anzurichten, mit dem man sich dann übergießen und waschen kann. Wir gewöhnen uns erstaunlich schnell an diese sehr
archaische Art der Hygiene - und genießen die anschließenden Saunagänge in der Banja.
Anderer Tag, anderes Wetter. Leichter Schneefall und tiefe Wolken lassen die Sonne als schwachen Lampion am Himmel stehen.
Auch bei diesen Bedingungen können wir den Aufsteig durch das Märchenland genießen!
Oben angekommen flirren die Schneekristalle in der Luft.
Wieder einmal kommen wir am Preißelbeeren-Sorbet vorbei und lassen es uns schmecken. Die Abfahrten des Tages stehen übrigens in keinster Weise jenen
des Vortages nach - Luzhba hält, was es verspricht!
Der nächste Morgen erwartet und mit einer Komposition aus Hellblau und Rosa zum Morgenrot - und außerdem mit grimmigen minus 25 Grad. Wir sind froh, als wir nach
etwa 20 Minuten am Talgrund endlich in den Aufstieg einmünden, der unsere internen Heizanlagen anschaltet...
Beinahe schon meditativ stapfen wir durch die Winterlandschaft.
Die Laubbäume biegen sich unter Schneelast und Frost.
Sibirische Morgenstimmung - ein besonderes Land!
Die Temperaturen lassen Haare schnell anreifen. Kapuzen und Gesichtstücher haben Hochsaison...
Der Blick öffnet sich nach Norden auf die höchsten Berge der Gegend. Die etwa 2000 Meter hohen Spitzen können wir aufgrund der Entfernung nicht besuchen - jedoch
sind sie Ziel für Heliskiing-Ausflüge, die in der Gegend angeboten werden.
Wunderbare Aufstiege - mit ebensolchen anschließenden Abfahrten.
Klassische Luzhba-Reifzotteln....
und -bärte.
"Wenn der Wodka einfriert und mein Bär schläft, sperre ich die Hütte zu und gehe Skitouren." Wie passend!
Dmitri, einer unser Guides, vor einer der vielen traumhaften Abfahrt durch lichten Wald.
Glücklich und zufrieden - Freude vor der Abfahrt.
Sibirisches Panorama.
Wieder ein Tag mit leichtem Schneefall...
...und dementsprechend ruhiger Stimmung im Aufstieg.
Ein anderes Mal blauer Himmel...
...bei strahlendem Sonnenschein.
Märchenstimmung von Väterchen Frost.
Warm eingepackt vor der Abfahrt hinunter an den Fluß.
Skiing in Siberia in der Luzhba Skitouring Lodge - ein außergewönlicher Ort!
Die wichtigsten Werkzeuge der sechs Skitouren-Tage. Übrigens: In Luzhba kann ein Ski gar nicht breit genug sein...
Die sechs Tage in Luzbha über den Jahreswechsel 2021/22 sind wie im Flug vergangen, und es heißt nun Abschied nehmen. Wir wandern zurück zum Bahnhof - besser gesagt
zur Haltestelle im Nirgendwo - und treten den Rückweg im kleinen Zug an. In Biskhamsa steigen wir wieder in die Kleinbusse um, die uns auf dem Weg zurück nach
Abakan noch kurz zu einem Museumsdorf der ansässigen Urbevölkerung bringen.
Wir besichtigen die jurten-förmigen Holzhäuser, die heutzutage nur noch selten zu sehen sind.
Die Hütten verfügen über kunstvoll gebaute freitragende Dächer.
In der Stalin-Zeit wurde die Kultur der örtlichen Ureinwohner stark unterdrückt - in der Folge entstanden dann eher westlich anmutende Holzbauten.
Von Krasnojarsk nach Moskau - Reisen in der transsibirischen Eisenbahn
Nachdem wir in Abakan ein schönes Abendessen eingenommen haben, steht die erste Nachtzugfahrt an. Wir beziehen für die Fahrt nach Krasnojarsk
(wohlgemerkt: noch kein Teilstück der Transsib, sondern nur ein Zubriger) zum ersten
Mal ein Abteil in einem russischen Zug und richten uns für die Nacht ein. Das leichte Ruckeln und Zuckeln in Kombination mit der typischen Geräuschkulisse
läßt uns erstaulich gut ein- und durchschlafen, ehe um halb sechs kurz vor der Ankunft in Krasnojarsk der Weckruf ertönt. Wir verlassen den hübschen Bahnhof im
Morgengrauen und müssen erst einmal das Problem lösen, unser Gepäck samt der Skitaschen sicher bis zum Abend zu verstauen. Die im Bahnhof vorhandenen Schließfächer
sind insbesondere für die Latten viel zu klein. Ein Mitarbeiter des Bahnhofs hat schließlich die rettende (und unkonventionelle) Idee: Wir nutzen zwei nicht mehr
fahrtüchtige Autos vor dem Bahnhof, deren Schlüssel er besitzt, als Gepäck-Container. Problem auf überraschende Art und Weise gelöst!
Mit einem Bus werden wir daraufhin durch das quirlige Krasnojarsk mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern kutschiert. Unser erstes Ziel liegt jedoch außerhalb:
Stolby. Vor ein paar Jahren bin ich auch eine Dokumentation über Klettern in Sibirien gestoßen, in welcher eben jenes Gebiet Stolby mit seiner irrwitzigen
Art zu Klettern beleuchtet wurde - nämlichen im Wesentlichen als Free-Solo-Revier mit entsprechend einschneidenden Konsequenzen im Falle eines Sturzes.
Wir besichtigen die wilden Granitfiguren zwar im Winter außerhalb der Kletterzeit - mir läuft es aber dennoch kalt den Rücken herunter, wenn ich an die
ungesicherten Klettereien daran denke...
Die überzuckerten Felsen muten wie Gestalten aus der Sagenwelt an.
Nach dem Besuch in Stolby geht es zurück in die Stadt an die Talstation des Skigebietes. Ja, richtig gelesen; in Krasnojarsk kann man quasi in der Stadt aus dem
Auto aus- und in den Lift einsteigen. Wir probieren letzteres zwar nicht aus, sind aber doch durchaus überrascht, diese Freizeitmöglichkeit hier vorzufinden.
Stattdessen nehmen wir unser Mittagessen im Restaurant "Fürst der Taiga" in der großen Talstation ein. Das Drei-Gänge-Menü im besten Restaurant der Stadt
läßt keine Wünsche offen, und wir machen uns im Anschluß glücklich und wohlgenährt zum nächsten Programmpunkt auf.
Wieder fahren wir aus der Stadt hinaus. An einer hoch über dem Fluß Jenissei gelegenen Aussichtsplatform lassen wir den Blick über den gewltigen Strom schweifen.
Wenige Kilometer weiter flußaufwärts wird er an einem gewaltigen Staudamm für eines der größten Wasserkraftwerke der Welt eingefangen. Der produzierte Strom wird
insbesondere zur Verhüttung von Aluminium eingesetzt.
Auch hier sind wir froh, in Daunen unterwegs zu sein...
Ein paar Kilometer weiter posieren wir an einem kleinen Uferdorf direkt am Jennisei für die Kamera.
Auch Väterchen Frost ist anwesend - was bei den herrschenden Temperaturen ohnehin schwer zu übersehen gewesen wäre...
Schließlich besichtigen wir den großen Damm samt der Schiffshebeanlage im rechten Bereich. Die Dammkrone dürfte einen knappen Kilometer breit sein.
Danach geht es zurück nach Krasnojarsk. Auf dem Weg zu einem schönen Aussichtspunkt über der nächtlich beleuchteten Stadt gibt unser Bus den Geist auf -
er wird aber in kurzer Zeit durch ein anderes Fahrzeug ersetzt; wieder einmal haben wir Glück. Das Panorama über dem Lichtermeer jedenfalls ist
auch nach Anreise mit dem neuen Bus spektakulär!
Der letzte - aber mitnichten der unwichtigste! - Punkt auf unserer Agenda ist das Abendessen. Wieder warten drei Gänge auf uns, und wie schon am Mittag sind
wir begeistert. Selten habe ich derart vorzüglich und stilvoll gespeist wie in der Bulgakov Bar.
Glücklich und zufrieden geht es daraufhin am Lenin-Wandbild vorbei zurück zum Bahnhof, wo wir unser kreativ eingelagertes Gepäck wieder in Empfang nehmen.
Günther will dem engagierten Mitarbeiter, der uns mit dem Gepäck aus der Patsche geholfen hat, als Anerkennung ein schönes Trinkgeld geben, dieser lehnt
aber lachend ab und meint sinngemäß: "Mir sind hundert Freunde lieber als hundert Rubel". (Um Verwirrung zu vermeiden - das angebotene Trinkgeld war natürlich
höher als hundert Rubel, was umgerechnet etwa 1,20 Euro gewesen wäre...).
Schließlich und endlich geht es los; wir steigen in die transsibirische Eisenbahn ein und machen uns auf die über 4000 km lange Fahrt nach Moskau!
Wir sagen dem quirligen Krasnojarsk Lebewohl; die faszinierende Stadt erinnert mich in ihrer Energie ein wenig
an das ähnlich interessante Tiflis, welches wir vor zwei Jahren besichtigt hatten.
Nach der ersten Nacht im Zug haben wir in Novosibirsk eine Pause von etwa einer halben Stunde. Wir vertreten uns die Beine an dem großen Bahnhof, kaufen etwas
Wasser und ein paar Snacks ein. Danach geht es weiter gen Westen...
In unserem Abteil fühlen wir uns richtig wohl. Zu zweit läßt es sich in dem eigentlich für vier Reisende ausgelegten Raum komfortabel aushalten. Wir lesen,
essen - und verlieren etwas Geld beim Schafkopfen mit unseren Reisekameraden.
Ich vertrete nach wie vor die Meinung - wenn keiner spielt, gib es einen Bock,
und es wird zusammengeworfen! ;-)
Ab und an überqueren wir auch einen der gewaltigen russischen Ströme - im Bild der Ob mit sicher anderthalb Kilometern Breite.
Bei einem anderen kurzen Stop entdecken wir eine alte Dampflock - welch Vorstellung, damit die ganze Strecke der Transsib bewältigen zu müssen!
Die Häuser am Wegesrand - pardon, neben der Schiene - sind in den kleineren Ortschaften oft gemischt: Man findet schmucke Holzhäuser aus Kantholzbalken genauso wie
Klinkerbauten aus kleinen Ziegelsteinen.
Gemütlich tuckern wir über die drei Nächte hinweg auf Moskau zu. Dabei überqueren wir drei Zeitzonen - stellen also die Uhr jeweils um eine Stunde zurück.
Um elf Uhr Ortszeit kommen wir schließlich in der russischen Kapitale an und beenden unsere faule Freizeit im Zug mit dem Schleppen des Reisegepäcks
vom Zug zu dem Bus, der uns bereits am Bahnhof erwartet.
Wir wissen es zu dem Zeitpunkt noch nicht - aber uns stehen zwei phänomenale Tage in einer der prächtigsten Städte der Welt bevor.
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