Matthias Lepschi

  

Reisen
Über mich
Page in English
Nach oben
 

Unteres Dolpo in Nepal 2022

  Zurück zum Abschnitt 3


Nach Osten hin zeigt sich über dem Plateau der Sadache Himal. Mittig ist der Doppelgipfel des Tashikang zu sehen, links davon der Tasartse.


Nach Südwesten können wir die Richtung einblicken, aus der wir eigentlich plangemäß hierher gekommen werden. Das Tal zum Mu La ist komplett verschneit - ein Durchkommen wäre also nicht möglich gewesen.


Im Abendlicht zeigen sich die Spitzen des Doppelgipfels des Tashikang.


Am nächsten Morgen zeigt sich unser Lager im besten Gewand - nachdem die Sonne aufgegangen ist. Davor haben wir die wahrscheinlich kälteste Nacht überhaupt in einem Zelt erlebt. In einem Einzelzelt wurde in der Nacht ein Tiefstwert von minus sechzehn Grad gemessen - wohlgemerkt im Zeltinneren! An den Wänden des Innenzeltes hat sich Reif gebildet, der nun bei jeder Bewegung nach unten rieselt. Dennoch haben wir in den Schlafsäcken keine Probleme mit der Kälte gehabt; gelobt sei die Daune!

Lästig war nur, daß ich in der Nacht geschlagene sieben Mal das Zelt verlassen mußte - der erhöhte Flüssigkeitskonsum und die Höhe forderten ihren Tribut. Siebenmal aus der wohligen Wärme des Schlafsacks heraus, die Daune anziehen (mit ein paar Reifkristallen vom Innenzelt im Nacken), mühsam in die gefrorenen Bergschuhe einfädeln, Reißverschluß Innenzelt öffnen, in einer widernatürlichen, halb sitzenden und halb knieenden Stellung in die Apsis des Zeltes, dort den Außenreißverschluß öffnen, dann denn inneren schließen, und zu guter letzt ohne Bandscheibenvorfall in eine stehende Position kommen. Immerhin - neben dem Abbau des Blasendruckes wurde man auch mit einem überwältigendem wolkenlosen Sternenhimmel mit Milchstraße belohnt, der sich über dem kalten Paß aufgespannt hatte.


In diese Richtung wird nach der besonderen Nacht in der Höhe unsere Tagesetappe starten. Allerdings haben wir ein weiteres Problem: Unsere Muli-Treiber weigern sich, den von uns geplanten Weg zur anderen Paßseite mitzugehen. Wir verstehen nicht, warum sie nicht mitgehen wollen; der Weiterweg schaut vom Pass-Plateau ja durchaus nicht zu schwierig aus; eine Spur ist vorhanden, der Schnee mittlerweile auch kompakt und tragfähig. Da sich aber auch nach längerer Diskussion die Haltung dazu nicht ändert, müssen wir umplanen. Wir reduzieren das Gepäck, das uns zwingend begleiten muß, auf ein Mindestmaß, und verteilen es dann auf die menschlichen Träger. Diese sind nun teilweise mit doppelter oder gar dreifacher Last unterwegs - sonderlich glücklich bin ich damit nicht. Die Hoffnung ist, daß diese Situation auf dem Weg nur nach unten einigermaßen zumutbar bleibt - wir erwarten keinen kraftraubenden Anstieg mehr.
Um es den Trägern leichter zu machen, beschließe ich dennoch, einen Teil meiner Reisetasche in einen Tragesack umzuladen, den ich selber mittragen kann.

Die Muli-Karawane hingegen zieht mit dem größten Teil der Küchenausrüstung und anderer entbehrlicher Ausrüstung wieder zurück Richtung Chharkabot.


Bei besten Bedingungen geht es nach Klärung der Logistik in die Etappe - zunächst noch eben auf dem Paß-Plateau...


...dann nach unten in den Bheri Khola.


Nach einer Weile kommen wir langsam wieder aus dem Schnee, und wir finden leichte Pfadspuren vor. Je tiefer wir in der schmalen Schlucht kommen, umso undeutlicher werden die Steige, und bald ist klar: Wenn es hier einmal einen Weg gab, so ist er wohl auch der Erosion zum Opfer gefallen. Wir kämpfen uns weglos und mit diversen Bachüberschreitungen nach unten weiter, überqueren alte Lawinenkegel und bewundern Büßereis, daß sich auf den Kegeln gebildet hat.

Es sickert uns bald ein, daß die Entscheidung der Muli-Treiber, diesem Weg nicht zu folgen, die einzig richtige gewesen ist - die Tragetiere hätten hier keine Chance gehabt.


Dennoch beobachten wir Vierbeiner in der Umgebung: Blauschafe sehen uns bei der Plackerei durch zugegebenermaßen phantastische Landschaft genauso zu wie Yaks. Sie verbleiben jedoch in den zugänglichen Hängen im Oberteil der Schlucht, während wir uns irgendwie nach unten durchkämpfen. In mir kommen die Zweifel hoch, ob wir überhaupt auf dieser Route durchkommen können - ohne Wegspuren und in brüchig-schmalem Canyon. Ich hoffe inständig, daß sich der Träger, der diese Route nach seiner Auskunft schon einmal gegangen ist, nicht getäust oder vertan hat.


Schließlich kommen wir nach einiger Mühe am Ende des Bheri Kholas an; die schmale Schlucht in Südost-Ausrichtung, durch die wir herabgekommen sind, mündet in etwa rechtwinklig in eine größere Schlucht samt Fluß in Richtung Nordost. Wir rasten auf einem grasigen Sporn über dem Zusammenlauf, auf dem wir auch Mauerreste entdecken können Damit haben wir die psychologisch wichtige Gewissheit, daß hier irgendwann schon mal Menschen waren; eigentlich müßte also auch ein Steig hierher existieren. Von dem Sporn aus mache ich das nebenstehende Bild in Richtung unseres Weiterweges: Auf der linken Seite der noch vor uns liegenden größeren Schlucht müssen wir nun irgendwie weiterkommen. Ob es dort den vermuteten begehbaren Steig tatsächlich gibt, ist unklar... Andreas scoutet die Lage aus; er steigt vom Sporn aus etwa 100 Höhenmeter an und entdeckt tatsächlich einen alten Steig. Die Gruppe folgt nach, und wir machen uns daran, diese unsere eine Chance zu ergreifen - Alternativen gibt es ohnehin keine.


Leider ist der Steig nur noch sehr undeutlich vorhanden, und insbesondere in den Erosionsreisen quasi nicht mehr existent. Daher kommen wir einige Male in durchaus haariges und teilweise ausgesetztes Gelände, welches Fehler nicht mehr ohne weiteres verzeihen würde. Werner kümmert sich als Führer darum, die schlimmsten Stellen zu entschärfen und hilft den etwas weniger Trittsicheren mit Hilfestellungen darüber. Etwa zweieinhalb Stunden müssen wir in der langen Querung der Schluchtseite konzentriert am Ball bleiben, ehe wir mit einer kleinen Holzbrücke im Talgrund das Ende der technischen Schwierigkeiten erreichen.


Halleluja - ab der Brücke geht es mit deutlich weniger Anspannung weiter.


Passend zu unserem Aufatmen kommt von oben feierlich ein Wasserfall wie ein langer Schleier nach unten.


Die Brücke führt uns auf die andere, deutlich weniger steile Seite des Flusses.


In ihrer Bauweise macht sie den anderen Dolpo-Brücken alle Ehre - aber auch sie hat gehalten!


Im Rückblick - "durch diese schmale Gasse mussten sie kommen"...


Weiter geht es nun unschwierig auf einer Fahrtrasse, die aber an vielen Stellen durch das Schlechtwetter der vorherigen Wochen für den Gebrauch durch Autos nicht mehr geeignet ist. Unterspülungen und Schuttstürze aus den gewaltigen Erosionskegeln im Bild haben ganze Arbeit geleistet. Immerhin - für uns Fußgänger ist es trotzdem noch einfaches Gelände.


Wir laufen in die Dämmerung weiter, immer vorbei an fantastischen Erosionslandschaften.

Es ist uns mittlerweile klar, daß unsere Träger mit ihren durch unser Gepäck doppelten Lasten das schwierige Stück in der Schlucht auf keinen Fall so "einfach" passieren werden können wie wir. Hoffentlich kommen sie überhaupt unbeschadet hindurch! Und natürlich verstehen wir auch, warum unsere Muli-Treiber den Weg nicht gegangen sind - für Vierbeiner ist er faktisch unmöglich.
Damit ist klar, daß wir - ohne Schlafsäcke oder Zelte - für die Übernachtung eine feste Unterkunft benötigen, und es kristallisiert sich in einfacher Logik die nächste Siedlung als Zielort heraus. Wir laufen etwa noch zweieinhalb Stunden in die Nacht hinein nach Sangda weiter. Dort kann An-Tsering, unser nepalesischer Guide, in einem kleinen und einfachen Hostel Schlafmöglichkeiten für die Gruppe organisieren.


Meine Frau und ich teilen uns die linke Pritsche im Bild; auf etwa einem Meter und zehn verbringen wir die Nacht erstaunlich gut - wahrscheinlich auch, weil wir nach 12 Stunden Wanderung die nötige Bettschwere mitbringen.

Noch in der Nacht kommt ein Teil unserer Träger nach - leider mit schlechten Nachrichten. Einer von ihnen ist abgestürzt und hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rippe gebrochen. Außerdem sind ein paar der Reisetaschen dabei in die Tiefe gestürzt und fehlen also. Ich bin bedient - was wäre denn gewesen, wenn der Träger bei dem Unfall umgekommen wäre? Wie hätte ich damit umgehen können? An dieser Stelle haben wir die feine Linie zwischen Abenteuer und Gefahr ein wenig zu weit zur falschen Seite überschritten.


Am nächsten Morgen fotografiere ich das "Spülbecken" unserer Unterkunft: Im Freien, ohne fließend Wasser. Letzteres muß vom Dorfbrunnen geholt werden und über eine schmale Stiege nach oben gewuchtet werden - Tag für Tag.


Auch die Küche - besser gesagt, das Wohnzimmer der Gastgeber samt ihres Bettes und der Feuerstelle - lichte ich ab. Auf diesem Feuer wurde uns als Nachtmahl eine leckere Nudelsuppe serviert, die uns gutgetan hat, und ich kann mich an einer Schüssel Tsampa zum Frühstück erfreuen!


Nach dem Frühstück starten wir in die letzte Etappe unserer Wanderung, die uns von Sangda nach Kagbeni bringen wird. Kurz nach Sangda drehe ich mich noch einmal um und photographiere die kleine Siedlung, in der wir die Nacht verbracht haben.

Für unsere Träger geht es noch einmal zurück zur gefährichen Schlucht; sie wollen versuchen, die verlorenen Reisetaschen zu bergen. Ich beneide sie nicht um diese Arbeit und hoffe inständig, daß die Unternehmung diesesmal ohne weitere Verletzung abgeht.


Wir wandern auf der Fahrstraße weiter; diese wird über einen Paß mit 4500 Metern Höhe hinein in das Kali-Gandaki-Tal führen. Vom Weg aus kann ich bereits durch eine wilde Schlucht hiaus in die ebenso wilde Landschaft von Mustang blicken.


Im Aufstieg im gleißenden Licht eines perfekten Wandertages sehen wir die Straße an die Schneegrenze der dahinterliegenden Berge ziehen.


Das Schlechtwetter vor einer Woche hat die Gipfel weiß angezuckert; die Linse des Photoapparat freut es!


Unsere Hoffnung, vielleicht mit einem Allradfahrzeug von Kagbeni aus abgeholt zu werden, zerschlägt sich recht bald, als wir den Zustand der Straße sehen: Auch hier größere Ausspülungen, Schuttabgänge und weiter oben gewaltige Lawinenkegel über der Trasse. Na das kann ja noch heiter werden...


Insbesondere die Lawinenkegel sind ausgesprochen mühsam zu queren.


Wir wühlen uns durch, so gut es geht.


Auf 4500 Metern Höhe sind wir dabei durchaus noch einmal am Schnaufen - und froh, als wir nach der Plackerei die Passhöhe erreichen.


Mit meinem grünen Umhängetäschchen bin ich glücklich, daß es ab jetzt nur noch nach unten geht.


Im Kali-Gandaki-Tal, welches wir ab dem Paß gut von oben her einsehen können, zeigen sich die vertrauten Erosionsstrukturen.


Richtung Mustang finden sich rot leuchtende Abschnitte in dem Labyrinth aus Geröll.


Ob es uns irgendwann einmal in die staubige Weite von Mustang zieht?


Nach Osten sehen wir den Thorong La ein, über den wir vor elf Jahren die Annapurna-Runde gegangen waren. Auch dieser Paß ist tief verschneit; etwa die obersten Tausend Höhenmeter müssen die Wanderer durch den Schnee stapfen...


In der Vergrößerung sind unter der Schneegrenze die Serpentinen des Weges zu erkennen. Mukhtinath als Pilgerort liegt direkt darunter - wir werden in zwei Tagen ebenfalls dort sein, allerdings per Auto von Kagbeni aus...


Nach Südosten hin baut sich das Nilgiri-Massiv auf, dahinter dann die noch höhere Annapurna-Kette.


Wir laufen den langen Abstieg nach Kagbeni flott hinunter; die Aussicht auf eine warme Dusche und die Nacht in einem Bett zieht uns magisch an.


Beinahe auf Niveau des Talbodens taucht die Abendsonne die Erosionsrillen der Ostseite des Tals in intensive Licht-Schatten-Spiele. Wir erreichen unsere Unterkunft in Kagbeni, die Red House Ecolodge noch im ausklingenden Licht der Dämmerung.


Endlich wieder in der Zivilisation! Wir genießen die lang ersehnte Dusche und die Annehmlichkeiten der Unterkunft. Trotzdem sind wir nicht entspannt; noch wissen wir nicht, wie es unseren Trägern geht. Es ist ohnehin unwahrscheinlich, daß diese die lange Strecke noch am gleichen Tag schaffen werden - auch ihnen tut es natürlich weh, daß aufgrund der schlechten Straßen kein Transportfahrzeug zu Hilfe kommen kann... Und in der Tat bekommen wir später die Nachricht, daß unsere Mannschaft erst am kommenden Tag eintreffen wird.


Wir genießen die Nacht im Bett und das gemütliche Frühstück im Red House. Die Lodge ist durchaus stilvoll eingerichtet.


Vor dem Eingang sind Apfelringe zum Trocknen aufgehängt.


Wir nutzen den Ruhetag in Kagbeni für eine Ortsbesichtigung. Was hat sich wohl seit unserem letzten Aufenthalt im Jahre 2011 verändert? Die Gebetsmühlen jedenfalls sind immer noch am gleichen Ort...


Der Ort mutet immer noch archaisch an; auf den Hausdächern lagert das Brennholz für die kalte Zeit.


Die verwinkelten und teils überdachten Gäßchen führen an Plätze, die aus einer Vergangenheit von vor 50 Jahren stammen könnten.


Zwei Gompas finden sich in kleinem Abstand voneinander auf dem Hauptplatz. Rechts der mehrere Jahrhunderte alte Bau, links ein moderner Neubau. Wir besichtigen beide Gebäude - jedes hat seinen eigenen Charme.


Neben dem Eingang zur neuen Gompa findet sich eine schöne Darstellung des Rad des Lebens.


Budda Shakyamuni in der Gompa


Der Eingangsbereich ist - wie der gesamte Bau - relativ neu.


Die klassischen Wächterdarstellungen dürfen natürlich auch nicht fehlen.


Über den Dächern von Kagbeni zeigt sich im Süden der Nilgiri.


Großer bunter Mani-Stein im Zentrum von Kagbeni


Ein Bündel Maisstroh wird durch die engen Gäßchen getragen; wahrscheinlich wird es Kühen oder Ziegen vorgeworfen.


Der Blick in einen Innenhof zeigt eine Frau, die die Ernte sortiert. Eine Ziege und ein Kälbchen warten auf den ein oder anderen Leckerbissen, der abfällt.


Das goldene Dach der neuen Gompa glitzert über den umgebenden Dächern. Blick von unserer Unterkunft aus.


Eingang unserer schmucken Unterkunft, der Red House Ecolodge.


Am Nordende von Kagbeni wartet das Apple Bees, ein gemütliches Cafe mit Dachterasse. Letztere sollte eher am Vormittag aufgesucht werden - ab Mittag liegt Kagbeni im Windkanal des Kali-Gandaki-Tals.


Die neue Gompa macht auch von Süden her ein schmuckes Bild.


Gemütliche Sitzecke im Red House vor schöner Schnitzarbeit.


Auch diese Fassade unserer Lodge kann sich sehen lassen.

    Weiter zum Abschnitt 5